Die Fahrt von Sao Paulo nach Curitiba zieht sich ganz schön. Immer wieder ist Stau. In der Gegenrichtung ist aber noch mehr und noch länger Stau, so dass wir wenigstens nicht neidisch sein müssen. Nach dem langen Tag auf der Straße freuen wir uns auf ein gediegenes Hotel um den Abend zu genießen. Aber was ist das? In den Lampen stecken ganz ungediegene Energiesparfunzeln, die so kalt grellweiß und dennoch viel zu schwach leuchten, dass wir uns fühlen wie im Kühlschrank. Unser Plan Glühbirnen zu kaufen schlägt fehl, dafür gibt's im Supermarkt schicke rote Plastikbecher. Die stülpen wir im Hotel über die Neondärme und schon ist es fast zu gemütlich. Allerdings auch noch dunkler, so dass wir bei Kerzenlicht kochen müssen.
Liebe Kinder, liebe Erwachsene, probiert das mit den Bechern bloß nicht Zuhause aus. Es gibt Leuchten, die sehr heiß werden und es gibt Becher die dann furchtbar schnell schmelzen :-).
0 Kommentare
Die fünft-größte Stadt der Welt, Sao Paulo (auf Deutsch vielleicht St. Pauli?) soll ja ganz unschön sein, im Verkehr ersticken und der Smog soll eigentlich nur bei dem häufigen Nieselregen erträglich sein. Da haben wir es ganz gut erwischt: Blauer Himmel, die Luft ist gut und wir fahren gleich mehrmals staufrei durch die City. Die Stadtverwaltung von Sao Paulo empfiehlt nachts mit dem Auto nicht an roten Ampeln anzuhalten, sondern nur langsamer zu fahren. Das ist legal und verringert die Gefahr eines Überfalls an der Ampel. Uiuiui! Wir fahren morgen weiter Richtung Süden, das verringert jede Menge Gefahren noch viel mehr. In Sao Paulo sind Plakatwerbung und Werbeschilder seit fünf Jahren total verboten. Erst jetzt, in Vorbereitung auf die WM, dürfen immerhin Uhren mit Luftqualitätsanzeiger und etwas Werbung aufgestellt werden. Wir wohnen im Stadtteil Brooklin und unser Supermarkt ist in Hollywood. Hmmm. Jedenfalls gibt es auch einen japanischen Stadtteil, Japantown. Hier wohnen ca. 400.000 Asiaten und man kann alles kaufen. Wir upgraden unsere Kochausstattung und kaufen einen tollen Topf, klassisch japanisch in Rot-Weiß. Allerdings ist der "Made in Germany". Irgendwie komisch.
Am Nationalfeiertag strömen die Massen in ihren Autos aus den Städten Richtung Meer. Wir machen genau das Gegenteil und machen uns eine schönes Wochenende in Sao Paulo. Nach einem Morgen im menschenleeren Küstenort Paraty, fahren wir am weltllängsten Stau (> 50 km) vorbei in die 20 Millionen Einwohner Stadt Sao Paulo. Eigentlich ist der Verkehr dort so schlimm, dass die Superreichen nur noch mit den insgesamt 6000 Helikoptern in der Stadt unterwegs sind. Aber weil so schöner Feiertag ist, kommen wir mit nur zwei Mal anhalten und fast gar nicht Verfahren in unserem Schnäppchen Business Hotel an. Nur einmal ist es schwierig: Als wir von der Stadtautobahn abfahren wollen, haben wir das nicht genügend vorbereitet. Die Stadtautobahn hat nämlich 12 Spuren pro Richtung, von denen jeweils vier zusammengefasst sind und man die Viererbündel nicht einfach so wechseln kann. Das geht nur an bestimmten Stellen. Und weil wir fast ganz links auf Spur 11 fahren, müssen wir zuerst auf das mittlere Viererbündel wechseln um die Abfahrt auf das nächste Viererbündel mit den echten Ausfahrten vorzubereiten, der dann die echte Ausfahrt folgt. Das dauert eben ein par Kilometer. Um den Verkehr in Sao Paulo etwas zu entlasten, darf jedes Auto an einem Wochentag nicht fahren. Entscheidend ist die letzte Zahl des Nummernschildes. Wir dürfen am Donnerstag nicht in Sao Paulo fahren. Natürlich haben sich nun einige Leute ein zweites Auto mit einer anderen Nummer dazugekauft, was die Sache nicht besser macht. Bleibt eigentlich nur der Hubschrauber.
Mit Rio sind wir für's Erste durch. Ein Mietwagen soll uns weiter Richtung Süden bringen. Der Wagen unserer Wahl ist ein VW Gol ohne f. Und auch ohne Klima, ohne Servo, ohne Zentralverriegelung und sogar ohne Heizung. Stattdessen sorgt die dunkle Lackierung dafür, dass die Tropensonne den Wagen in einen Schwitzkasten verwandelt. Also, Fenster auf und nicht anhalten! Awesome. Brasilien ist wirklich überversorgt mit Stränden. An der Küste kann man raus fahren wo man will, immer ist gleich ein Strand da, oft menschenleer. Morgen ist in Brasilien Nationalfeiertag und wir sind im Touristenort Paraty gelandet. Hier gibt es Souveniershops, Andenkenläden und man kann auch Mitbringsel kaufen. Oder Essen gehen, Kutsche fahren, und über das Kopfsteinpflaster balancieren. Alles sehr schön.
Die Einheimischen gehen lieber in die Kirche und singen mit der Liveband um die Wette. Die Rio International School ist ganz schön außerhalb, in der Nähe eines 4 Kilometer langen Shopping Centers und fast direkt am Strand. Weil die Gegend so nobel ist, kann man nicht einfach so in die Straßen hineinfahren oder laufen. An jeder neuen Straße gibt es einen Grenzposten mit bewaffneter Sicherheitswache, die uns zwar mächtig aufhält und in fließendem Portugiesisch berät, aber nicht durch lässt. Wir probieren eine zweite Straße und zeigen an der Kontrollstelle zügig und selbstbewusst das Logo der Schule auf dem Handydisplay und schon sind wir drin. Die Rektorin hat uns eingeladen aber keine Tipps gegeben wie wir bis zur Schule kommen, weil sie uns verwechselt hat mit jemand der schon mal da war. Entsprechend beeindruckt ist sie, dass wir es trotzdem bis zur Schule geschafft haben
Die ganze Schule ist sehr amerikanisch, es gibt in den Klassenzimmern nur Einzeltische oder Stühle mit Schreibklappbrett. Ein neu eingestellter IT-Fachmann aus Hongkong ist gerade damit beschäftigt die Schulcomputer durch iPads zu ersetzten. Da Rio ganz schlechte (okay, gar keine) Chancen auf weiße Weihnachten hat, ist der Hype um einen privaten verschneiten Tannenbaum um so größer. Man hat die Wahl zwischen der kleinen Laterne mit Tannenbaum und Styroporkugelpumpe, dem Tannenbaum in einer Art Riesenregenschirm mit Styroporkugelbrause oder dem freistehenden Kunstbaum mit Styroporkugelspringbrunnen in der Spitze, umringt von einem "Schnee"-sammelbecken. Allen gemeinsam ist, dass sich der Kunstschnee total romantisch bei 30°C über den Baum ergießt um unten gleich wieder eingesaugt zu werden, für die nächste Runde. Der richtige Turnschuh ist in Brasilien ein Muss. Und weil der richtige Schuh immer der teure ist, zahlt man seine Nikes in bequemen 12 Monatsraten. (Oder sollte man sagen 12 Monate Laufzeit?)
Heute ist es so heiß, dass es sich anfühlt als ob man mit dem Gesicht (und allem anderen auch) viel zu dicht am Heizstrahler steht. Wir laufen heute durch einen von Rios größten Slums, Rocinha. Slums heißen hier Favelas. Bis vor Kurzem waren alle Favelas fest im Griff der Drogenbarone, verbunden mit 6000 Morden im Jahr. Inzwischen sind einige große Favelas durch Militär und Polizei "befreit" worden, darunter auch Rocinha. Hier leben 300.000, 150.000 oder auch nur 65.000 Menschen. Man weiß es nicht genau, es wird nur geschätzt. Einer von ihnen erzählt uns, dass nun zwar alles anders ist, aber nicht alles besser. In diesem riesigen Stadtteil gibt es eine echte Straße ansonsten nur enge Gassen, oft nur eine Schulter breit. Strom holt sich jeder selbst von der Hauptleitung (irgendwie gratis), Wasser wird alle 5 Tage durch die Leitungen gepumpt. Dann können die Bewohner ihre blauen 1000 Liter Tanks auffüllen. Wir hätten gerne in eine Schule hineingeschaut, das geht hier aber nicht, Ausländer sind in den Schulen verboten. Man verrät uns auch, dass das so ist, damit das Ausland nicht erfährt, wie schlecht es um das brasilianische Schulsystem bestellt ist. In einem normalen Favelahaus gibt es einen Raum, der alles gleichzitig ist. Schlaf-, Ess- und Wohnzimmer mit Kochnische. Das muss reichen für die ganze Familie. Tuberkulose war ein großes Problem in einem sehr eng besiedelten Bereich der Favela. Als die Epidemie zu schlimm wurde, ließ der Staat den Bereich abreißen und spendierte ein paar neue Wohnkisten mit sanitären Einrichtungen. Zezinho erzählt uns von seinem Projekt: Er organisiert eine DJ-Schule in der die Kinder und Jugendlichen aus der Favela kostenlos lernen können, wie man Musik macht und professioneller DJ wird. Damit die Kinder eine Wahl haben. Drogen oder Arbeit. Nicht schlecht, gerade gestern erst war RTL Deutschland hier, für eine Doku.
Busfahren ist ein spezielles Vergnügen in Rio. Vor dem Einsteigen muss man den Bus erstmal dazu bringen anzuhalten. Das geht indem man mit einer Hand ganz dringend in der Luft fuchtelt. So als ob man im Unterricht unbedingt jetzt gleich sofort drankommen möchte. Nach dem Einsteigen fährt der Bus sofort los, man steht vor dem roten Drehkreuz mit der Schaffnerin und hat folgende Aufgaben: Geld rauskramen, festhalten, gewünschtes Ticket ordern, festhalten, Geld übergeben, festhalten, Rückgeld und Ticket empfangen, festhalten, Ticket entwerten, festhalten, durch das klemmende Drehkreuz gehen, festhalten, einen Platz finden und dann bis zum Aussteigen festhalten. Unser heutiger Bus hat dank einer unglaublichen Kombination aus fehlender Federung, unebener Straße und einem Busfahrer mit ausgeprägtem Formel 1 Talent folgenden Effekt auf die Fahrgäste: Die Schwerkraft wird unwichtig, teilweise sogar ausgeschaltet, dafür entstehen enorme Fliehkräfte in schnell wechselnden Richtungen. Auch als Freund der flotten Fahrweise ist das ungewohnt. So muss sich die Kugel im Flipperautomat fühlen. Ipanema Sonnenuntergangskitsch.
Eines der Wahrzeichen Rios ist der Zuckerhut. So benannt, weil er eben so aussieht wie ein Zuckerhut. Nachdem wir die Aussicht von oben ausführlich genossen haben, hüllt sich der Berg auf einmal in eine fluffige Wolke. Jetzt sieht er eher aus wie Zuckerwatte. Zuckerwattehut. Bei dem feinen Klima gedeihen hier alle Pflanzen die es in Deutschland im Baumarkt oder bei IKEA zu kaufen gibt. Und sogar noch ein paar mehr. Mit dem Obst ist es ähnlich. Alles was die Obstabteilung bei Kaufland exotisches hergibt, fällt hier von den Bäumen. Schmeckt aber noch besser als zuhause.
Wir können uns nicht entscheiden. Welchen Strand sollen wir nehmen? Copacabana oder Ipanema? Wir gönnen uns einfach beide. Und welcher ist besser? Wir können uns schon wieder nicht entscheiden. An der Copacabana wurde jedenfalls so richtig aufgeräumt, man will ja nächstes Jahr bei der WM mächtig glänzen. Deswegen ist es inzwischen ganz schön sicher hier und sauber auch. Deswegen sollen auch keine Krabben mehr am Strand verkauft werden, das gibt nur unschönen Müll. "Operation Ordnungsschock" heißt wirklich so und soll die illegalen Krabbenverkäufer mit unverhofften Kontrollpatrouillen ausrotten. Immerhin rennen die Krabbenleute schnell weg, wenn die Ordnungsschocker anrücken. Ein paar Minuten später kann man wieder entspannt Krabben erwerben. Krabbenschock. Warum soll man eigentlich Wasser aus der Flasche trinken, wo doch in jungen Kokosnüssen jede Menge davon drin ist? Und das schmeckt nicht nur exotischer, das sieht auch noch penetrant tropisch aus. In Ipanema stellt sich die Frage, ob es eigentlich gerecht ist, dass eine Stadt gleich zwei so sensationelle Strände haben darf.
Die Sonne findet es wohl hinter den Wolken zu langweilig, jedenfalls zeigt sie sich einen ganzen Tag zu früh. Das ist schön, denn Schönwetter steht Rio äußerst gut. Die Aussicht von Jerrys Haus ist schlagartig postkartenreif. Kaum ist die Sonne da, ist es auch schon richtig heiß. Mittags steht die Sonne so hoch, dass man gar keinen Schatten hat. Wir laufen unten um den Zuckerhut herum, um nachzuschauen, ob es hier wirklich so viele kleine Äffchen gibt. Tatsächlich: Jede Mange taubengroße Kleinstaffen, die sich mäßig für die Kamera interessieren, dafür aber von einer ausgepackten Banane an den Rand des Wahnsinns getrieben werden. (Dei Banane haben wir dann lieber selber gegessen. Auch wenn Herr Affe uns gar nicht glauben wollte, dass das besser für ihn ist.)
In Lissabon ist alles ganz sicher: Doppelte Schlösser, elektrische Kerzen hinter Glas und in den Kirchen wird alles von gar schrecklichen Minidrachen oder Steinhunden bewacht. Aber eigentlich sind wir ja auch schon unterwegs nach Rio. Und welchen Film darf man auf dem Flug in keinem Fall verpassen? In Rio de Janeiro regnet es ganz unfein. Im Film sah das ganz anders aus. Wir gehen erstmal schön einkaufen: Schirme, Gemüse und neue Fantasorten. Wohnen können wir bei Jerry. Der ist Schauspieler und momentan gerade Kostümdesigner für einen Fernsehserie. Seine Wohnung ist direkt am Strand und vom 12. Stock hat man herrliche Aussicht auf - na ja auf den Regen eben. Ab übermorgen gibt's dann auch Sonnenschein.
Juhu, jetzt sind wir beide wieder unterwegs! Und weil der Weg nach Brasilien so weit ist, machen wir unterwegs für eine Nacht Pause in Lissabon. Nebenbei hat die Nacht den Vorteil, dass man das schlechte Wetter nicht sieht. Die Stadt ist recht hügelig, weshalb es manchmal mitten auf der Straße einen Aufzug gibt, der einen in die oberen Stadtteile bringt. Ein Exemplar ist schwindelerregend alt, gezahlt wird aber berührungslos mit Chipkarte.
|