Delhi - New Delhi Die Wetterapp meldet einen sonnigen Tag in Delhi, bei 25° C. Es sieht draußen aber aus wie ein Nebeltag in Ulm. Nur dass die graue Wand keine feuchte Luft ist, sondern Abgas. Ein ungutes Gefühl zu wissen, dass die eigenen Lungen die Funktion des Rußpartikelfilters übernehmen. Ich huste mich durch die Straßen Delhis. Man kann nicht weiter als 200 Meter sehen. Der Dunst verschleiert den Blick zum Himmel. Manchmal ist die Sonne als kleiner hellgrauer Punkt zu sehen, meistens nicht. Ich laufe viel zu viel und es beginnt in meiner Lunge zu stechen, so dass ich kurz frische Luft schnappen gehe - bei Starbucks. 30 Minuten Pause von Indien. Klimaanlage, Westmusik, der Frappuccino schmeckt und ich lese Zeitung - The Times of India. Etwas Weltpolitik, etwas Wirtschaft und dann ist da diese Statistik. In Indien sterben ungefähr 2000 Menschen an der Luftverschmutzung und alleine 1000 Kinder an verschmutztem Wasser - an jedem einzelnen Tag. Punkt zwölf bin ich mit Paul aus Missouri und Bhupinder aus London verabredet. Bhupinder gehört der Sikh Religion an und möchte uns einen großen Sikh Tempel in New Delhi zeigen. Sikhismus ist so ziemlich die jüngste Religion, knapp 500 Jahre alt. Es geht im Wesentlichen um die Abkehr von Askese, religiösen Ritualen und vor allem um die Gleichberechtigung aller Menschen unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion und so weiter. Im Tempel gibt es ein heiliges Buch mit den Weisheiten des Lebens. Das Buch wird als lebendiges Wesen angesehen, weshalb es tagsüber auf einer Art Thron liegen darf und abends in seinem Schlafzimmer in ein Bett gelegt wird. Alle Textilien um und über dem Thron werden täglich gewechselt und auch sonst genießt das Buch uneingeschränkte Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Jeden Morgen wird eine zufällige Seite im Buch aufgeschlagen und diese Weisheit ist dann die Lebensanleitung des Tages. In einem Nebengebäude gibt es eine riesige Küche, in der täglich bis zu 60.000 kostenlose Mahlzeiten an alle Menschen die vorbeikommen ausgegeben werden. Jeder kann beim Kochen mithelfen oder einfach nur essen. Noch viel abgefahrener ist der Akshardham Tempel. Vor 10 Jahren eröffnet, fühlt er sich an wie die Mischung aus Disneyland und Flughafen Check-In. Außerhalb der Innenstadt gelegen, mit riesigem Parkplatz, empfängt einen der Tempelkomplex mit aufwändiger Sicherheitskontrolle. Nach einer Sichtprüfung aller Sachen die man dabei hat, darf man zur Eingangsschleuse. Dort werden einem bis auf Kleidung, Geld und Reisepass alle Sachen abgenommen. Rucksack, Fotoapparat, Handy, Essen, Trinken und auch sonst alle losen Gegenstände müssen registriert werden um dann eingelagert zu werden. Dabei wird man fotografiert um sicherzustellen, dass niemand anderes die Sachen abholt. Dann anstehen zur Sicherheitskontrolle. Wir laufen durch den Metalldetektor und werden besonders gründlich abgetastet. Gürtel, Schuhe, Portemonnaie und Reisepass werden untersucht, dann sind wir auch schon drin. Wir müssen uns noch entscheiden, ob wir die Wassershow, die Lichtshow, den IMAX Film oder die animierte Bootsfahrt buchen wollen. Alles sehr aufregend, perfekt organisiert, makellos sauber und auch der Food Court ist prima. Nur Gläubige gibt es hier wohl nicht. In der „heiligsten” Mitte des Tempels, in der keine Gottheit sondern der Gründer des Tempels verehrt wird, kann ich nicht widerstehen: Ich ziehe schnell meine Geldbörse aus der Hosentasche und tue so, als ob ich ein Foto mache. Ich habe den imaginären Auslöser noch nicht gedrückt, da ist die Security schon da. Aber natürlich gibt es bei der allmächtigen und allwissenden Suchmaschine schöne Bilder vom Tempel. Meine Verehrung. Einmal noch schlafen und dann fliege ich zurück nach Deutschland. Ich freue mich schon sehr auf die saubere Luft. Von mir aus auch mit Nebel.
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