Lies hier von meiner Reise durch den Iran. Wenn du Informationen für deine eigene Reise in den Iran suchst, schau dir die Reisetipps an.
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Teheran - Alamut Valley - Rasht - Kaspisches Meer im Dunkeln - Teheran Ich habe mich mit Phillip in Teheran verabredet. Um 5:00 Uhr in der Lobby. 5:00 Uhr morgens. Wir wollen gemeinsam ins Alamut Valley fahren und dann weiter in den Norden nach Rasht. Dort sollen sich unsere Wege trennen und ich werde dann an der Küste des Kaspischen Meers entlang zurück nach Teheran fahren. Ich plane am Abend wieder zurück im Hotel zu sein. Das Alamuth Valley ist betörend schön und wir fahren und schauen viel länger als geplant. Es ist Feiertag und die Teheraner Familien haben es sich links und rechts der Straßen im Grünen zum opulenten Picknicken bequem gemacht. Da können wir nicht mithalten, mit unseren paar Nüssen, Bananen und Keksen. In dem Tal standen einst über 50 Festungen der Assassins, die es sich zur Pflicht gemacht hatten, amtierende Politiker freundlicherweise ins Jenseits zu befördern, damit es im Jenseits auch genügend fähige Leute gäbe. Außerdem hatten sie sich sehr geschickt Wasser und Lebensmittelvorräte angelegt, dass sie selbst längsten Belagerungen standhielten, in einem Fall angeblich 17 ganze Jahre. Ein Bergsee! Wie bei uns. Mit Tretbooten, Kanus und kleinem Strand. Nur mit dem Baden läuft das hier ganz anders. Die Fahrt nach Rasht zieht sich immens. Auf der postkartengroßen Landkarte im Lonely Planet sah dass gar nicht so weit aus! Die Stunden vergehen und es wird 20:00 Uhr, bis wir ankommen. Bei "Pizza Hut Blue" gönnen wir uns noch ein riesen Kebab und dann verabschieden wir uns. Es ist 21:00 und ich werde Mühe haben, das Kaspische Meer noch bei Tageslicht zu sehen. Dann wird der Verkehr Richtung Küste aber so dicht, dass ich mich plötzlich gar nicht mehr so für das Meer interessiere, sondern nur noch für's Heimkommen. Meine Schätzung der Ankunftszeit in Teheran verschiebe ich von Mitternacht auf 1:00 Uhr, dann auf 2:00 Uhr und um 3:00 Uhr lege ich mich irgendwo in den Bergen für eine Stunde auf die Rückbank zum Schlafen. Als die Sonne aufgeht fahre ich immer noch die kurvige Passstraße entlang und rechtzeitig zum Frühstück um 7:30 Uhr bin ich wieder im Hotel. Gut, dass der Check Out erst um 13:00 Uhr ist. Teheran - Frankfurt
Ich checke in letzter Minute aus dem Kayam Hotel aus und mache mich auf den Weg zu Simone, der Grundschulrektorin der Deutschen Botschaftsschule. Im feinen Stadtteil Elahiyeh hat sie eine schöne Wohnung und erzählt zu Kaffe und Keksen von ihrer Zeit als Lehrerin in Kabul. In ihren Erzählungen geht es um Mädchen, denen lange Zeit der Schulbesuch verwehrt wurde und deren Begeisterung für einen relativ normalen Schulalltag. Es geht aber auch um das gesprengte Lieblingslokal, um den zerstörten Supermarkt und darum, wie sie sich gemeinsam mit zwei Kolleginnen und einer Flasche Whiskey unter der Treppe vor einem Bombenangriff in Sicherheit brachte. Es ist viel Galgenhumor dabei und es wird viel gelacht. Am Abend setzte ich mich in einem nagelneuen Shopping Center in einen Coffeeshop, beobachte wie sich die Jugend sündhaft teurem Caramel Macchiato und Mintchoc Frappee hingibt. Auf dem Heimflug treffe ich das Lehrerpärchen Sarah und Gerold wieder. Bis Istanbul fliegen wir gemeinsam und tauschen die wildesten Reisegeschichten und die besten Stories aus dem Schulalltag. In Frankfurt ist alles wieder sehr gewohnt und geordnet. Nur schade, dass niemand "Willkommen in Deutschland" sagt. Yazd - Teheran Es ist tatsächlich so, dass man das Gefühl hat, sich rechtfertigen zu müssen, wenn man in den Iran fährt. "Iran, ist das nicht gefährlich?" "Wieso denn ausgerechnet in den Iran?" "Pass bloß auf, im Iran!" "Iran? Du meine Güte!" Ganz anders das Gefühl, wenn man dann im Iran ist. Der meistgehörte Satz dieser Reise ist: "Welcome to Iran!" Die Herzlichkeit der Menschen, ihre Entspanntheit und die allgegenwärtige Hilfsbereitschaft machen das Reisen zu einem echten Vergnügen. Ist es also eine gute Idee in den Iran zu reisen? Ja! Einen erhellenden und unterhaltsamen Einblick in das Reisen im Iran bietet auch das Buch "Couchsurfing im Iran." Am Abend unterhalte ich mich mit den zwei Hotelbetreibern, die mich zu einem Tee eingeladen haben. Zuerst lernen die beiden von mir, wie das mit den Jahreszeiten funktioniert und warum die Jahreszeiten an anderen Orten ganz anders sein können. Dann sprechen wir über Familie und Beruf und dann kommt das heikle Thema auf den Tisch: Der Iran, die USA, Israel, Hitler und Deutschland. So heikel ist es dann aber auch wieder nicht, wir sind uns schnell einig, dass Menschen Menschen sind, egal welcher Nationalität oder Religion und dass jeder von uns doch eigentlich die gleichen Wünsche und Bedürfnisse hat.
Yazd Morgen ist der Geburtstag eines Propheten und deshalb verteilen heute wildfremde Leute an andere wildfremde Leute kühle Getränke und Kekse. Den ersten Keks bekomme ich, als ich in der Bank meinen Strafzettel bezahle. Beim Bummel durch den Bazar bekomme ich von jemand einen Becher eisgekühltes Rosenwasser in die Hand gedrückt. Und'n Keks. Als ich gemeinsam mit Niels, Phillip und Simon auf der Suche nach dem Dach mit der besten Aussicht auf Yazd bin, bekommen wir wieder Rosenwasser und einen Keks. Zum Sonnenuntergang speisen wir Kameleintopf auf dem besten Dachrestaurant, dass wir auftreiben konnten und treffen dort Heiko und Bruno wieder, die Motorradschweizer. Wieder unten auf der Straße, gibt es erstmal eine Limonade und einen Keks. In meinem Hotel habe ich vorher schon das Pärchen aus Beijing und Armind aus Teheran wieder getroffen, die ich zuletzt in Persepolis gesehen hatte. Armind läd uns für den späteren Abend in das "Kraft Haus" ein. Was dort geboten wird, lässt sich nur schwer in einen Begriff fassen. "Religiös-poetisch-dynamisches-Bodybuilding-Tanz-Musical" könnte man es vielleicht nennen. In einer kleinen Arena, machen ganze Kerle und kleine Jungs mächtig aufwendige Liegestützen im Trommeltakt und zu gesungenen Versen des Poeten Hafez. Dann wird kollektiv und sehr männlich gebrüllt. Damit soll der Prophet gepriesen werden, erklärt Armind. Dann kommen die Gewichtkeulen dran. Jede von ihnen wiegt 15 Kilogramm und die Dinger werden elegant und im Takt über die Schultern gewirbelt. Obwohl die Arena sehr klein ist, wird dabei niemand verletzt. Nach den Keulen wird erst gemeinsam im Kreis getanzt und dann treten immer einzelne Tänzer in den Ring. Besonders angesehen scheint es zu sein, sich wie wild im Kreis zu drehen und dabei die ausgestreckten Arme ganz knapp vor den Gesichtern der umstehenden Sportsfreunde vorbeisausen zu lassen. Auch kleine Saltos und Purzelbäume werden jetzt in die Performance eingebaut. Dabei wird einer der zwei kleinen Jungs versehentlich überrollt. Nix passiert. In der Pause bekommen wir ein Eis spendiert - und einen Keks. Zurück im Hotel unterhalte ich mich noch ein wenig mit Florian aus Hamburg und seiner Minxin aus Shanghai. Die beiden sind mit dem Fahrrad unterwegs von seiner Heimat in die Heimat seiner Frau. Die beiden schreiben einen spannenden Blog über ihre Reise: www.biketoasia.com
Yazd - Chak Chak - Kharanaq Am morgen laufe ich durch das herrlich entspannte Yazd. Durch die engen Gassen zwischen den Lehmhäusern huschen Frauen im schwarzen Hidschab, Kinder die Kaugummis verkaufen und hin und wieder kommt ein alter Mann auf einem knatternden Moped vorbei. Um 12:00 Uhr bin ich mit Niels aus Hamburg, Phillip aus Berlin und Simon aus Frankreich verabredet. Wir wollen heute eine große Runde durch die Wüste drehen. Wir haben vier Smartphones mit vier verschiedenen Landkarten. Trotzdem müssen wir ordentlich schätzen, Berge und Satellitenbilder vergleichen, bis wir unsere gewünschte Route einigermaßen zusammen haben. Die Straße durch die Wüste ist spektakulär. Wir müssen dauern Fotostopps einlegen, weil alles so toll aussieht. Es werden wohl so 45° C Grad sein. Im Schatten - aber den gibt es hier ja nicht. Unsere erste Station ist Chak Chak, was soviel heißt, wie "Tropf Tropf". Erst muss sich der kleine Renault die fürchterliche Steigung einer unbefestigten und ausgewaschenen Straße hochquälen und dann sind wir dran. Es geht steile Stufen hoch, zu einer heiligen Quelle, die aus dem Berg tröpfelt. Als wir oben angekommen sind, tropft uns der Schweiß von der Stirn. Chak Chak. Auf der Weiterfahrt schlägt Simon vor, ein "random village seeing" einzulegen. Tolle Idee, wir biegen also in den nächsten zufälligen Ort ab, der an einem Berg klebt. Auf der Fahrt durch den Ort sehen wir zwar viele Häuser aber keine Autos und auch so gut wie keine Menschen. Wir parken und versuchen den Ortskern zu finden. Der Ort ist verwinkelt, hat große Walnussplantagen und jede Menge halbkaputte Lehmhäuser. Wir laufen durch die Straßen und über die Dächer. Neben der Waschstelle des Ortsbrunnens finden wir die vier Männer des Ortes, auf einem Teppich liegend und Melone verputzend. Wir werden auf Melone und Pflaumen eingeladen. Gut, dass Niels ein wenig Farsi (Persisch) spricht. Auf unserem weiteren Weg durch den Ort, pflücken wir im Vorbeigehen leckere Maulbeeren, die überall wachsen. Aber das beste kommt erst noch. Die Geisterstadt Kharanaq haben wir uns rausgesucht. Ungefährt 1000 Jahre alt sind ältesten Gebäude. Es ist nur niemand mehr da. Die Aussicht von den Dächern der Stadt auf die Berge ist grandios. Wir sinnieren über dies und das, währende die Sonne langsam untergeht. Für den perfekten Tag fehlt jetzt noch eins. Ein Eis! Wir müssen ganz schön suchen, bis wir eine Bude am Highway finden, die tatsächlich etwas verkauft. Auch Eis. Wir kehren noch mal in die Geisterstadt zurück und schauen dem Mond beim Aufgehen zu. Was für eine Tag.
Abends im Hotel höre ich ein paar Mal hintereinander "Ghosttown" von Madonna und denke an meine Klasse, mit der ich das Lied im Unterricht singe. Persepolis - Yazd Duschen, Frühstück, Auschecken und los. Für die Strecke nach Yazd rechne ich mit einem ganzen Tag. Es geht schön durch die Berge und die Wüste und ich will zwischendrin ein bisschen wandern gehen. Ich bin super vorbereitet: Für die lange Fahrt habe ich mir eine extragute Playlist angelegt, die Lindt Schokolade liegt kühlschrankkühl in der Mitte des Koffers, isoliert von allen meinen Klamotten. Die Google Maps Karte für die Strecke ist gespeichert, das angestrebte Hotel markiert, das iPhone ist geladen und ich hab Wasser dabei bis zum Abwinken. Die Landschaft ist herrlich, die Sonne brennt. 40 Grad werden es heute Mittag. Die Hitze ist aber sehr trocken, so dass sie gut verträglich ist. Trotzdem wird die erste Wanderung eher ein kleiner Spaziergang. Die Berge sehen auch durch die Windschutzscheibe ganz toll aus. Die letzten Büsche verschwinden, zuerst kommt die Steinwüste, dann die Sandwüste. Es ist topfeben und die Straße ist schnurgerade. Links und rechts liegen immer wieder Trümmerteile von Lastwagen, dessen schlafende Fahrer sie in die Wüste versenkt haben. Kann mir nicht passieren. Die Musik ist super und die weite Landschaft lädt dazu ein, den Gedanken freien Lauf zu lassen. Wegen mangelnder Ablenkung zieht jeder angefangene Gedanke einen beliebigen weiteren nach sich. Ungefähr so: "Mann, ist das flach - vielleicht ist die Erde doch eine Scheibe - ist es im Kofferraum beim Fahren wirklich kühler als beim Stehen? - Wie lange der Weg durch die Wüste wohl zu Fuß dauern würde? - Wenn mann hier geradeausschießen würde, wie weit würde die Kugel fliegen, bis sie auf den Boden klimpert? - Das Allgäu ist auch ganz schön - Kühe - oh, mein Lieblingslied - ich hab schon lange keinen Handstand mehr gemacht - wow, der LKW ist alt - hunger - mal sehen wie schnell der Renault eigentlich fahren kann - ob es staubt, wenn man mit den Reifen ganz dicht am Fahrbahnrand fährt? - Nö - kein Fahrbahnsand - wenn eine Drohne über mir fliegen würde, würde ich es nicht merken - warum bin ich eigentlich nicht Astronaut geworden? - Ob ich ein erfolgreicher Gangster wäre, wenn ich einer wäre? - Ich mag Spaghetti - denken eigentlich alle Menschen so komische Sachen, wenn sie durch die Wüste fahren - vielleicht sollte ich das mal aufschreiben. " Eine Tankstelle mit Shop und Restaurant mitten in der Wüste. Wie im Film "Out of Rosenheim". Ich gönne mir ein Magnum. Mitten in der Wüste. Luxus. Eigentlich könnte ich jetzt mal wieder einen Handstand machen. Aber da kommt ein Minibus mit einer Touristenfamilie und Guide. Nachdem die Damen sich auch ein Eis geholt haben, schlendere ich auf das Grüppchen zu und will sie fragen, ob sie den Film "Out of Rosenheim" kennen. Dass es Deutsche sind, sehe ich schon weitem. Für Italiener sind sie zu schlecht angezogen, für Franzosen sind sie viel zu groß. Als ich fast nah genug bin um sie anzusprechen, steigen sie hektisch ein, Tür zu und sie fahren davon. Liegt's an meinem Ferienprobebart? Sehe ich jetzt aus wie ein Gangster? Oder wie ein Islamist? Jedenfalls haben die jede Menge Vorurteile, da bin ich ganz sicher. Die Wüste fliegt wieder vorbei. "... it's our time to go, but at least we stole the show, least we stole the show - und dann ist Musik aus. Handy aus. Wie bitte? Das war doch heute Nacht an der Steckdose. Es hilft nix, der Akku ist leer. Ohne "Akku fast leer" Warnung. Vielleicht war das wieder so eine Nachttischsteckdose, die mit Ausschalten des Lichtes stromlos wird. Alles schon gehabt. Jedenfalls muss ich den Rest des Weges ohne Google Maps und vor allem ohne Musik managen. Ob ich mal selbst singen soll? Ich finde das Hotel, dessen Namen ich vergessen hatte, auch ganz ohne Karte. Dort treffe ich Sarah und Gerold zum dritten Mal. Wir unterhalten uns prächtig über Straßen in Uganda und meine Polizeierfahrung im Iran. Danach berät mich Phillip aus Berlin, den ich auf dem Hoteldach beim Fotografieren kennenlerne, bei der Frage, Auswandern nach Teheran oder nicht. Er ist sich ganz sicher: Auswandern! Aus Versehen laufe ich nach Sonnenuntergang mitten im Abendgebet in die Moschee. Wenn ich schon mal da bin, kann ich mir das ja auch in Ruhe anschauen. Ich setze mich. Am Mikrophon der Imam auf seinem hölzernen Thron, davor sitzen Männer auf dem Teppich verteilt. Ein kleiner Junge läuft herum und umkreist mich mehrmals. Er scheint zu wittern, dass ich - genau wie er - den Worten des Imams nicht folgen kann und deshalb für Ablenkung anfällig bin. Weil ich den Imam aber nicht verärgern will, bleibe ich hart und spiele kein Verstecken und schicke den Knirps mit strengem Blick zurück auf den Teppich. Hinter mir sitzen die Frauen, die nicht so sehr an den Lippen des Imams hängen. Es ist eher ein Plauderstündchen unter Damen.
Shiraz - Persepolis Beim Frühstück erfahre ich von Peter, der in Deutschland eben eine Frühschicht hat, dass seine Bekannte in Thailand gerade einen Eintopf mit Würmern verspeist. Mit Bild. Daraus entwickelt sich eine gepflegte WhatsApp-Frühstückskonversation. Das trifft sich sehr gut, denn die anderen Hotelgäste sind eher konservativ als konversativ. Ich bin der einzige mit Jeans, kurzen Ärmeln und ohne Turban. Ich war gestern spät dran und bei der Hotelwahl für die eine Nacht recht pragmatisch: Beim ersten Hotelschild in Shiraz sofort eingecheckt, Koffer auf, Zähne putzen, Licht aus. In's Mausoleum des Königs des Lichts darf man als Nichtmuslim eigentlich nicht rein. Die Dame mit der "International Affairs" Bande heißt mich aber herzlich willkommen und reicht mich an einen weißhaarigen Mann weiter. Die "International Affairs" Bande reicht sie auch weiter. Zwei frischverrentete Schweizer gabeln wir auch noch auf. Dann geht es in den heiligen Schrein. Fotoapparate sind verboten, mit dem iPhone dürfen wir aber unauffällig knipsen. Die Wände und die Kuppeln sind mit unzähligen kleinen Spiegeln gemustert. Wenn man sich bewegt, ist es als schwebe man durch ein übertrieben großes Svarowski-Kaleidoskop. Ich frage den Weißhaarigen, wie viele Spiegelstückchen das wohl sein könnten. Das weiß er ganz sicher. Das sind über 80 Milliarden. Nein, nicht Millionen, Milliarden. Ich fange an zu rechnen - kann das sein? Dann gebe ich es auf. Glauben ist einfacher. Nach dem Spiegelwahnsinn sind wir auf einen Tee im Büro der "International Affairs" eingeladen. Meine Familien-, Klassen- und Heimatfotos machen wieder die Runde. Ich werde gefragt, ob meine Klasse gemischt ist. Ja, gemischte Geschlechter, gemischte Nationen, gemischte Sprachen, gemischte Religionen. Ich bin auch gemischt. Na ja, bis auf die Geschlechter. Der Weißhaarige hat Humor und nimmt mir meine gewagten Wortspiele im heiligen Campus nicht übel. Aber eine ganz ernste Frage hat er noch: Gott sagt, wir sollen gut sein und Gutes tun, ob ich das für meine Familie und meine Schüler bin und tue? Ich glaube schon. Ein Sprichwort sagt: In jedem iranischen Haus gibt es mindestens zwei Bücher. Den Koran und ein Werk des Poeten Hafez. Hier in Shiraz ist er begraben (der Poet) und seine letzte Ruhestätte ist eine regelrechte Pilgerstätte. Bevor ich den Hafez Park betrete, spricht mich eine Studentin aus Teheran an. Sie hat für ihre Forschung einen Fragebogen, den ich ausfüllen soll. Es geht darum, wie Touristen die Risiken und Gefahren auf Reisen im Iran einschätzen. Und zwar vor der Ankunft und jetzt im Vergleich. Während dem Ausfüllen muss ich natürlich die eine oder andere Frage kommentieren. Man kann doch nicht das Risiko eines Verkehrsunfalls mit dem Risiko eines Terroranschlags in der gleichen Frage abfragen. Im Iran sterben im Jahr 20.000 Menschen im Straßenverkehr. In Teheran sterben jedes Jahr ca. 5.000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung. Auch in Deutschland sterben mehr als 2.000 Menschen jedes Jahr im Straßenverkehr. Warum sollte man sich also Gedanken um Terroranschläge machen? Weil ich mir so Mühe gebe mit dem Fragebogen, bezahlt Parisa - so heißt die Studentin - meinen Eintritt in den Hafez Park. In Persepolis treffe ich die zwei Schweitzer aus dem Spiegelschrein wieder. Bruno und Heiko heißen sie. Die Zwei sind auf ihren Motorrädern hergefahren, wollen noch weiter bis in die Mongolei und über Sibirien zurück in die Schweiz. Respekt. Persepolis war einst eine der Hauptstädte des Reiches der Perser. 520 v. Chr. gegründet und 330 v. Chr. von Alexander dem Großen zerstört. Heute kann man die ausgegrabenen Ruinen besichtigen und einen kleinen Hauch des ehemaligen Glanzes der Prunkstadt nachfühlen. Und wenn es gerade so schön geschichtlich ist: Persien wurde 1935 von Shah Reza Pahlavis in "Iran" (Land der Arier) umbenannt, um das Land damit dem westlichen Kulturkreis anzubinden. Am Abend lerne ich ein Pärchen aus Beijing kennen. Oli und Billy. Er hat lange Zeit in Rotterdam gelebt und als Seemann gearbeitet. Das wollte ich ja auch schon lange mal machen. Ich frage ihn ganz schön aus über seinen Fruchtdampfer, der Bananen, Ananas und Kiwis von Südamerika nach Dover, Rotterdam und Hamburg geschippert hat. Bestimmt habe ich schon mal eine Banane gegessen, die mit seinem Schiff eingereist ist. Am Ende habe ich genug Informationen, um mir vorzunehmen, irgendwann einmal selbst für drei Monate zur See zu fahren. Die Beiden reisen schon seit einem Monat und haben noch eine lange Zeit des Reisens vor sich. Genau wie ich, leihen sie sich gerne überall einen Mietwagen, bedauern aber, dass das im Iran nicht geht. Mein Wagen vor dem Fenster lässt sie ungläubig den Kopf schütteln "But it is impossible." Beim Check-Out heute morgen, wollte mir das Personal auch nicht gleich glauben, dass ich wirklich kein Taxi brauche, sondern selber fahre. Erst das Vorzeigen des iranischen Strafzettels hat sie überzeugt.
Isfahan - Shiraz Es gibt jede Menge Polizeiarten im Iran. Die Verkehrspolizei, die Kriminalpolizei, die Moralpolizei und heute lerne ich die Umweltpolizei kennen: Am Cheghakhor See bin ich gerade dabei, die Angler zu fotografieren, wie sie da so bauchnabeltief im Wasser stehen. Ein grün-weißer Pickup braust heran, es springen vier Männer heraus, die den Anglern wie wild etwas zurufen. Einige von ihnen kommen herausgewatet, während ich mich so langsam zu meinem Auto trollen will. Da entdeckt mich einer der Beamten und marschiert auf mich zu. Ich grüße höflich und auch der Beamte ist äußerst zuvorkommend, fragt mich nach meinem Befinden, meiner Herkunft, der Familie und nach meinem Beruf. Dann zeigt er auf meine Kamera und stellt sich als Umwelt Cop vor. Ob ich eine Genehmigung vom Umweltamt habe, werde ich gefragt. Ich brauch mich gar nicht blöd stellen, ich weiß wirklich nicht was er meint. Er betont nochmal, dass er Umwelt Cop ist und behauptet, es sei nicht erlaubt Seen zu fotografieren. Ich frage nach, ob es erlaubt sei Berge zu fotografieren. Ist es natürlich auch nicht. Es sei denn, ich hätte eine Genehmigung aus Teheran. Um mir ein bisschen Angst zu machen, hat er mir gleich am Anfang meinen Reisepass und den internationalen Führerschein abgenommen und er spielt dauernd mit seinem Handy, als ob er mich gleich an den Präsidenten persönlich verpfeift. Ich zeige ihm zur Ablenkung ein Foto meiner Klasse und erzähle irgendwas. Das funktioniert. Er lässt sich in ein Gespräch verwickeln über die Schulbildung seiner Kinder. Dann wird er wieder ernst und fragt ganz offen, ob ich ein Industriespion wäre. Wenn er mir mal die Möglichkeit geben würde, ihn mit eine kleinen Bakschisch zufriedenzustellen, hätte ich es schon längst gemacht. Wie es scheint, sind wir aber beide keine Profis auf diesem Gebiet. Jetzt will er die Fotos auf meiner Kamera sehen. Also gut. Er blättert in die falsche Richtung und muss erstmal alle Türkeibilder der letzten Reise durchgehen. Auch die Quatschbilder. Er amüsiert sich köstlich. Nach gefühlten 5000 Bildern fragt er, nach den Bildern vom See. Bittesehr. Er murmelt vor sich hin: "Genehmigung", "Teheran", "nicht erlaubt"... Dazu schüttelt er immer wieder den Kopf. So kommen wir nicht weiter. Und ihm scheint es jetzt auch zu reichen. Er schüttelt mir die Hand, wünscht mir eine gute Reise. Aber dann möchte er doch noch die Daten aus dem Reisepass abschreiben. Und meine Handynummer. Jetzt nochmal Händeschütteln - und ja - jetzt hab ich die halboffene andere Hand gesehen. Also doch. Ich krame im Kofferraum und hole eine unverfängliche Tafel Schokolade heraus. Die gute große von Lindt, mit den Haselnüssen. Für den Herrn Umwelt Cop. Wir strahlen beide. Und das mit dem Schmiergeld werden wir beide noch mal üben müssen. In den Bergtälern haben die Nomadenstämme ihre Zelte aufgeschlagen. Man sieht sie beim Schafe hüten, beim Wäsche waschen am Fluss und die Kinder, wie sie über die Felder rennen. Hinter einem Zelt rattert der Generator, drinnen läuft der Fernseher. Die Passstraßen sind mächtig steil. Überladene Laster kriechen die Steigungen im Schrittempo hoch und ich mache es wie die Einheimischen und überhole, wenn es geht - auch wenn es verboten ist. Während ich mit vier anderen Fahrzeugen gerade einen Kriechkonvoi überhole, rast ein weißer Wagen in der nichtvorhandenen dritten Spur von hinten an uns vorbei. Ich staune über den Übermut, sehe dann aber, als der Wagen an mir vorbeifährt, den blauen Streifen und die Beschriftung "Police". Wir werden an der nächsten Parkbucht erwartet und herausgewunken. Die anderen Fahrer reden stürmisch und aufgeregt auf die Polizisten ein, es scheint um Leben und Tod zu gehen. Aber die Beamten sind ganz routiniert und ein Strafzettel nach dem anderen wird durch das Fenster des Polizeiwagens gereicht. Auch ich bekommen einen, mit freundlicher Erklärung was ich damit machen muss. Auch hier darf ich wieder Herkunftsland, Familienstand und Beruf verraten, der nummerierte Strafzettel ist aber schon ausgestellt. Zu verhandeln gibt es also nichts mehr. Mein beschleunigtes Vorankommen kostet mich mehr als eine Million Rial. Zum Glück sind das weniger als 30,- €. Auf den Schreck muss ich im nächsten Ort erstmal einen kleinen Snack erwerben. Die Auswahl ist wie so oft auf, Chips, Kekse und Softdrinks beschränkt. Aber diese weißen Kugeln werden mir empfohlen. Spezialität. Also gut, ich erstehe eine Tüte. Die Kugeln entpuppen sich als harte, trockene Ziegenkäse-Intensivgeschmacksbomben. Zerbeißt man eine, ist es als ob im Mundraum eine Herde Ziegen ausbricht und bis in den Hinterkopf intensivstes Ziegenaroma ausstrahlt. Mehr als eine pro halbe Stunde traue ich mich nicht. Nicht dass mir noch Ziegenfell wächst.
Isfahan Gleich hinter der Stadt stehen die Sofe Berge und ich bin die letzten Tage viel zu viel in Städten umhergelaufen. Eine Seilbahn gibt es auch, also los. Ich bin schön früh dran, das Seilbahnpersonal allerdings nicht. Dann laufe ich eben hoch. Der Weg ist nicht sonderlich anspruchsvoll, wenn die Steigung nur nicht wäre. Ich leere eine Wasserflasche nach der anderen in mich hinein. Gut, dass ich gestern noch Sonnencreme gekauft habe. Die Sonne brennt. Als ich oben bin, ist das Wasser auch ganz alle. Aber ich hab ja noch den guten Danone Drinkcookie. Der Name trifft es genau. Es ist nicht wirklich ein Milchgetränk mit Keksgeschmack, sondern eher zähflüssiger Keksteig mit Röhrchen. Mir schmeckt's. Aber Durst kann man damit nur bedingt löschen. Ein Glück habe ich zwei Drinkcookies dabei. Außer mir ist noch niemand auf dem Berg. Ich setze mich an die Bergkante und schaue und horche in die Wüste hinein. Es ist so still, als ob die Welt ausgeschaltet wäre. Der ganze Zauber ist mit einem Schlag vorbei, als die nahe Seilbahn eingeschaltet wird. Die Rollen surren so laut, als ob ich hier direkt am Antrieb für die Erdrotation sitzen würde. Ich gönne mir die Abfahrt mit der Seilbahn für ein paar Cent und bekomme dafür einiges an Abenteuer geboten. Die kleine Gondel schaukelt, wippt und rattert ordentlich. An einer Stelle schaben wir an einer Leitplanke den Fels entlang. Die "Moschee des Imam" ist groß, sehr blau und vor allem in Betrieb. Damit die Betenden im Innenhof keinen Hitzeschlag bekommen, ist der Hof mit Zeltplanen beschattet. Die deutschen Rentnergruppen, die nach und nach durch die Moschee walzen, sind not amused. Die Nörgeleien reichen von "unmöglich, wie die des verschandeln", bis "da hätten die ja wenigstens den Eintritt reduzieren müssen, wenn hier Baustelle ist." Die Gruppe mit dem roten Fähnchen ist nun im südlichen Iwan. Die Akustik unter der riesigen Kuppel soll toll sein, weshalb die Gruppe sich nun gemeinschaftlich im Singen versucht. "Hoch auf dem gelben Wagen" schallt es aus Seniorenkehlen. Ich weiß ja nicht... Der Weg ins Hotel führt mich am Ufer des Zayandeh Flusses entlang. Auf beiden Seiten gibt es herrlich grüne Parks mit picknickenden Familien und Tretbootschwänen. Der Fluss war lange Jahre ausgetrocknet, erst seit vergangenem Herbst führt er wieder Wasser und die Menschen feiern ihren Fluss. Leider ist es in drei Tagen wieder vorbei mit der Flussidylle. Dann wird das Wasser des Flusses am Damm für umbestimmte Zeit abgestellt und anders verteilt. Traurig.
Nachtrag: Als am nächsten Morgen der Wecker klingelt, schrecke ich aus einem Traum auf, in dem Sandalen tragende Rentner hemmungslos auf gelben Kutschen tanzen und "Atemlos" grölen. Isfahan Nasir ist neben mir der einzige Gast beim Frühstück. Er ist Iraner, lebt aber seit der Islamischen Revolution in den USA, ganz in der Nähe meiner Cousine Audrey, in North Carolina. Seine Mutter ist vor genau einem Monat gestorben und es hat bis vorgestern gedauert, bis alle Formalitäten für eine Überführung in den Iran geklärt werden konnten. Die nächsten 40 Tage bis zur Bestattung wird er nun hier bleiben. Der Weg ins Zentrum führt über die Si-o-Seh Brücke. Der Naqsh-e-Jahan Imam Platz ist der zweitgrößte Platz der Welt und wirklich beeindruckend. Auf dem Rasen gibt es Picknick, Fußball und Radrennen. Außen herum fahren Kutschen und machen mächtig Geklingel. ZurJameh Moschee geht es durch den Bazar, der so angenehm entspannt und ruhig ist. Die Ladenbesitzer trinken Tee oder fegen die Wege, Waren werden auf Handkarren durch die Gänge gezogen und die Damen prüfen die Stoffe mit ihren Fingern. Ein "No Woman" Schild macht mich neugierig. Ich laufe durch eine Tür, einen Gang und bin dann in einem grünen Innenhof in dem sich außer mir nur Gelehrte mit Turban befinden. Ob ich hier überhaupt sein darf? Ich habe heute sogar was kurzärmeliges an und komme mir deplatziert vor. Da mich aber alle ignorieren oder anlächeln, schlender ich ein wenig durch den Garten und beobachte was passiert. In den Räumen, die um den Innenhof verteilt sind, sitzen Männer im Viereck und hören einem Redner zu oder lesen. In der Jameh Moschee treffe ich Gerold und Sarah wieder. Wir sind uns sicher, dass wir uns in einer der nächsten Städte wieder über den Weg laufen werden. Nach einer kurzen Siesta im Hotel probier ich mal aus, ob ich Linienbusfahren im Iran auch drauf habe. Habe ich. Im Bus sitzen Männer und Frauen ordentlich sortiert, die Damen hinten und die Männer vorne. Ich habe auf einem Sitz entgegen der Fahrtrichtung Platz genommen. Ob es da wohl erlaubt ist, nach hinten zu schauen? Ich möchte ein wenig Peoplewatching machen am Naqsh-e-Jahan Imam Square. Ich werde auch beobachtet und dann auch gleich angesprochen. Azadeh und ihre Freundin möchten wissen, ob ich etwas Zeit hätte, mit ihnen Englisch zu üben. Na klar, immer. Wir tauschen Lebensgeschichten und ich erfahre von Karriereplänen als Dokumentarfilmerin von Elektrotechnik Studiengängen und wie sich Azadeh Englisch selbst beigebracht hat. Als ich über den Rasen laufe um im letzten Dämmerlicht noch ein schönes Foto zu machen, werde ich zu einem Tee-Picknick einer Familie eingeladen. Es sind nur die Damen und Englisch können die nicht. Ich kann im Gegenzug kein Farsi, wir verstehen uns trotzdem. Yes, Germany. Doch. Ich weiß, dass ich nicht so aussehe. Lehrer bin ich. Ja, ich hab ein Foto meiner Familie dabei. Nein, das ist meine Cousine, nicht meine Frau. Ja, ich hab auch ein Foto meiner Klasse dabei. Ja, gerne noch einen Tee. Ja, so ein Karamellplättchen nehme ich glatt. Ja, die mit Sesam sind auch sehr lecker. Ja, die Tochter ist sehr hübsch. 18 Jahre, habe ich verstanden. Nein, ich möchte die Tochter nicht heiraten. Nein, die 15 Jährige auch nicht. Doch doch, die ist auch hübsch. Ja, noch ein Sesamkaramellplättchen, danke...
Teheran - Kashan - Isfahan Beim Frühstück lerne ich die beiden anderen Gäste des Hotels kennen. Ein Lehrerpärchen aus Baden Württemberg. Sarah und Gerold. Die beiden reisen heute mit dem Bus weiter nach Isfahan. Da fahr ich auch hin, aber mit dem Mietwagen. Das ist total unüblich im Iran. Der Lonely Planet rät davon ab, andere Reiseführer behaupten, es geht überhaupt nicht und auch der Hotelmanager will mich einfach nicht verstehen. Taxi? Driver? Nein, ich möchte selber fahren. But the traffic! Ob es nun stimmt oder nicht, dass jeder Taxifahrer in Teheran täglich 1,4 Unfälle hat, mein Entschluss steht fest. Ich miete einen Wagen der einzigen Autovermietung im Iran, die sich im Internet finden lässt. Im Büro von Europcar am Flughafen stehen schicke Bildchen von Oberklassewagen und V.I.P. Vans. An dem kleinen weißen Renault, der für mich reserviert ist, sägt die Motordrehzahl unheimlich und die Beifahrertür geht nicht richtig zu. Das mit dem Motor sei bei allen Renaults so, weiß der Vermieter und die Tür wird schon halten. Mir Wurst, das Auto fährt und bläst sogar kühle Luft - was will man mehr. Autos sind im Iran wahnsinnig teuer und ich behandle das Gefährt entsprechend behutsam. Trotzdem fliegt mir nach den ersten 100 Kilometern der erste Scheibenwischer weg. Gut, dass man hier bedenkenlos auf der Autobahn rückwärts fahren kann. Ich sammle das gute Stück wieder ein und weiter geht's. Es geht erstmal 200 Kilometer durch karge Wüstenlandschaft. Mit Knopf im Ohr hört man nicht mehr so doll, dass die Türe halboffen ist. Musik dazu und schon ist die öde Steinwüste viel besser zu ertragen. Mit der richtigen Musik könnte ich mir den Iran schon wieder als Land zum Leben vorstellen. So geht das die ganze Zeit. Immer wieder überlege ich hin und her, ob das Angebot der Schule aus Teheran meine große Chance ist oder einfach nur ein blöde Idee. Ich vertraue meinem Verstand, dass er sich richtig entscheiden wird - aber das dauert ganz schön. In Kashan setze ich mich im Teehaus zu Sina. Sie reist ganz alleine und ist aus der Schweiz, was man ihr aber nicht ansieht. Wir unterhalten uns ganz hervorragend. Sie erzählt von ihrer Herkunft aus Sri Lanka, ihrer Adoption und dass sie eben auf dem Landweg unterwegs nach China ist. Vielleicht will sie unterwegs ihre Heimat Sri Lanka besuchen. Sie weiß die Adresse ihrer leiblichen Eltern, aber vielleicht macht sich es auch doch lieber nicht. Ich erzähle, wie ich das Elternhaus meines Vaters in Malaysia gesucht habe, wie mich ein wildfremder Mann zwei Stunden auf seinem Moped durch Sungai Petani gefahren hat, auf der Suche nach dem richtigen Haus und wie wir dann herausfanden, dass das Haus nicht mehr existiert und dort jetzt ein Möbelhaus steht. Nur einen ehemaligen Nachbarn der Familie konnten wir auftreiben und der konnte nur ein paar Kleinigkeiten über die große Familie und meine 11 Onkel und Tanten erzählen. Trotzdem war es ein tolles Erlebnis. Nach dem Essen im Teehaus schauen wir uns noch gemeinsam ein paar historische Häuser und einen Hamam an. Dann muss sie zu ihrem Nachtzug und ich muss noch weitere 200 Kilometer durch die Wüste fahren. Unterwegs sehe ich eine ganze Ansammlung von Lehmhäusern in der Ferne. Das ist er endlich - der Grund für einen zünftigen Umweg über Schotterpisten und Dornengestrüpp. Viele der Lehmhütten sind noch ganz intakt, haben eine Kuppel und oft sogar so etwas wie eine Tür. Es scheint aber nirgendwo jemand da zu sein. In zwei Hütten sehe ich Stroh am Boden. Ob die Hütten als Ställe dienen. Ich weiß es nicht. Es ist jedenfalls schön abenteuerlich so ganz ungestört durch den Lehmort zu laufen und zu mutmaßen was das hier alles sein kann.
Als ich im Dunkeln in Isfahan mit allen Scheibenwischern und Türen ankomme, finde ich gleich einen schönen Parkplatz und anschließend den Weg ins Hotelbett. Teheran Heute morgen bin ich an der Deutschen Botschaftsschule in Teheran. Eigentlich wollte ich nur kurz vorbeischauen, mich umsehen und schauen, ob ich hier ein paar neue Impulse für meinen Unterricht in Deutschland aufnehmen kann. Es kommt aber ganz anders. Der Campus macht einen sehr gepflegten, parkartigen Eindruck. Beim Direktor und der Verwaltungsleiterin werde ich herzlich mit Tee und Kuchen empfangen. Nachdem gegenseitig viel erzählt wurde, bekomme ich eine Führung durch den Campus und wir schauen in alle Grundschulklassen, den Kindergarten und zur Oberstufe, die gerade im Musikcontainer eine Tanzperformance einübt. Ich lerne unterwegs so viele Lehrer kennen, dass ich sie mir gar nicht alle merken kann. Die meisten haben schon in Orten wie Kabul, New York, Moskau, Kairo, Istanbul oder Abu Dhabi gearbeitet und alle schwärmen von der Schule in Teheran. Es dauert nicht lange, bis die Katze aus dem Sack ist und ein Jobangebot auf dem Tisch ist, das ich kaum ablehnen kann. Nach dem dritten Kaffe, nach Kebab, Torte, Eis, Mochito und Erdbeerdrink aus dem Coffeshop der Schule, habe ich von so vielen Lehren so viele Loblieder auf die Schule gehört und wie gerne sie mich im Kollegium hätten, dass es an Gehirnwäsche grenzt. Dabei ist das gar nicht nötig. Die Schule strahlt eine so angenehme Atmosphäre aus, dass ich glatt selbst gefragt hätte. Ich könne gleich im Sommer anfangen, die Bürokratie würde man schon irgendwie hinbekommen. Die offiziellen Fristen für einen Wechsel sind längst abgelaufen. Das geht sogar mir zu schnell und ich verspreche mir die Sache in den nächsten Tagen gründlich durch den Kopf gehen zu lassen. Sein Heimatland, und damit Familie und Freunde, verlässt man ja schließlich nicht jeden Tag dauerhaft. Es ist inzwischen abends und ich bin immer noch an der Schule. Um mir die Sache noch schmackhafter zu machen, wird ein Kollege, den ich noch nicht kenne, zuhause angerufen, er soll mir noch den angrenzenden Stadtteil zeigen, in dem ich möglicherweise wohnen könnte. Sam - so heißt der Kollege - fährt mich mit seinem alten Chevy zu einem äußerst feinen Teegarten, in dem wir über unsere Lebensläufe sprechen.
Als es dunkel wird, laufe ich noch ein wenig umher und schaue mir die Straßen jetzt ganz anders an. Könnte das mein neuer Wohnort werden. Würde ich in Deutschland so plötzlich alle Zelte abbrechen? Nach und nach gehen mir die ganzen Menschen, Möglichkeiten und Dinge durch den Kopf, auf die ich hier verzichten müsste. Es sind nicht wenige. Das Angebot ist aber zu gut, um einfach nicht weiter darüber nachzudenken. Ulm - Istanbul - Teheran Es ist Samstagmorgen und ich weiß, dass ich das nächste Bett erst Sonntagabend sehen werde. Deshalb hatte ich mir vorgenommen die letzte Nacht richtig lange zu schlafen. Das hat nicht so gut geklappt. Als Ausgleich lasse ich mir beim Frühstück gemütlich Zeit und genieße das letzte gute Müsli in Ruhe, während vor dem Küchenfenster die Sonne aufgeht. Herrlich. Alles ist gepackt, die Pflanzen sind versorgt, ich kann also ganz entspannt sein. Erst als ich auf halbem Weg zum Bahnhof merke, dass ich verdammt nochmal viel zu entspannt bin und mein Zug in unschaffbaren 4 Minuten abfährt, wird der Morgen hektisch. Ich renne mit fliegendem Koffer, zappelndem Rucksack und rotierendem Fressbeutel wie irre quer durch die Stadt. Normalerweise wäre es nur blöd den Zug zu verpassen, weil dann mein Ticket nicht mehr für den nächsten Zug gelten würde. Heute ist die Sache viel prekärer: Die Bahnstrecke ist wegen Bauarbeiten gesperrt und die alternativen Verbindungen sind zeitaufwändig mit häufigem Umsteigen, auch mit Busfahrten und überhaupt etwas labil, einen Tag nach dem beendeten Lokführerstreik. Zu allem Übel habe ich vorher gesehen, dass alle Verbindungen für die nächsten drei Stunden, bis auf meine, gecancelled wurden. Wenn das so stimmt und ich meinen Zug verpasse, wird es mehr als eng. Während des Rennens, muss ich also überlegen, ob ich es mit dem Auto noch rechtzeitig nach Frankfurt schaffen würde. Es ist Pfingsten und im Radio wurden die schrecklichsten Stauszenarien für dieses Wochenende entworfen. Ich überlege auch, ob es mich beim Rennen viel langsamer machen würde, wenn ich nebenher versuche auf dem Handy eine alternative Zugverbindung über Augsburg und von dort mit dem umgeleiteten ICE über Aalen, um die Baustelle herum heraussuche. Die Überlegungen werden überdeckt von den Gedanken, wie lange man eigentlich mit Koffer, Rucksack und Beutel am Stück rennen kann. Ich finde es heraus. Es sind exakt 4 Minuten. In der Unterführung zum Gleis, höre ich den Schaffnerpfiff, auf der Treppe das Piepsen der schließenden Türen und am Bahnsteig hechte ich in allerletzter Sekunde zur Tür herein, die noch für den einsteigenden Schaffner offen geblieben ist. Die nächsten 5 Minuten bin ich vollständig damit ausgelastet, nach Luft zu schnappen und mich wieder abzukühlen. Weil man jetzt neuerdings beim Online Check In für das Aussuchen von Fenster-, Gang- oder Notausgangplätzen kräftig bezahlen soll und sogar für das Reservieren eines Sitzes in der Mitte noch 8,- € fällig sind (Das sind die schlechtesten Plätze, warum sollte man so etwas reservieren? Stehplätze gibt es ja noch keine.), ist es das Vernünftigste, nicht mehr online Einzuchecken. Mein Plan geht auf und ich bekomme beim Offline Einchecken am Schalter ganz gratis einen Notausgangplatz mit viel Beinfreiheit. Das ist aber auch schon das Beste am ersten Flug bis Istanbul. Statt Bildschirmen oder Zeitschriftentaschen am Vordersitz, gibt es alarmgelbe Plastikschalen auf dem Vordersitz, auf die die Notfallanweisungen geklebt sind. Man hat während dem 3 Stunden-Flug kaum Chancen etwas anderes anzustarren als Piktogramme von Menschen, die aus brennenden Flugzeugen krabbeln, mit Schwimmwesten ins Meer springen, sich Sauerstoffmasken überziehen oder in Brace-Position auf den Aufschlag warten. Es ist der erste Flug, den ich erlebe, auf dem noch nicht einmal mehr Wasser gratis ausgeschenkt wird und sich die Rückenlehnen in keiner Reihe verstellen lassen. Der zweite Flug von Istanbul nach Teheran ist eigentlich genauso, nur ohne gelbe Plastikschalen mit Notfallaufklebern. Gemeinsam mit meinem iranischen Sitznachbarn freue ich mich über die herrlich neutralen grauen Vordersitze. In Teheran bekomme ich am Flughafen nach 20 Minuten, 60,- € und etwas Bürokratie ein Visum sowie ein freundliches "Welcome to Iran". Mein Koffer ist im falschen Terminal angekommen, aber das hält mich nicht auf. Ich wechsele bei einer abreisenden Seniorengruppe aus den Niederlanden gleich etwas Euro in Iranische Rial und handle den überschwänglich hilfsbereiten Taxifahrer, der sich nicht abschütteln lässt und mir schon durch zwei Terminals gefolgt ist, von 60,- € auf knapp 10,- € herunter. Verständlicherweise ist er auf Google nicht gut zu sprechen, denn ich halte ihm seit seinem "absolutly last price" von 30,- €, mein Taxipreis Rechercheergebnis unter die Nase: 8,- €. Die Taxifahrt ist gelinde gesagt äußerst flott, auch im dichtesten Verkehr. Bis zum Hotel habe ich mindestens drei Nahtoderfahrungen. Um 6:00 Uhr morgens ins Hotelbett gehen macht keinen Sinn, weshalb ich auch erst die nächste Nacht gebucht habe. Ich stelle also nur kurz meinen Koffer ab und beginne ein wenig spazieren zu gehen. Um14:00 Uhr darf ich einchecken. Es wird ein sehr langer Spaziergang. Mein Handy zählt heute 16,8 Kilometer Fußweg. Auch zu Fuß erscheint das Überleben im Straßenverkehr zunächst nur mäßig wahrscheinlich. Aber schon nach wenigen Straßenüberquerungen habe ich das Prinzip verstanden. Eine sechsspurige Straße ohne Ampel überquert man so: Nicht auf eine Lücke im Verkehr warten, die gibt es nicht. Einfach mittelschnell vom Straßenrand aus loslaufen. Autos, Busse und Motorräder werden nicht bremsen, aber um einen herumströmen ohne einen zu treffen. Das setzt hohes Vertrauen in die Fahrkünste der Teheraner voraus, es bleibt einem allerdings nicht viel anderes übrig. Um 15:00 Uhr falle ich ins Bett und schlafe mit kurzen Unterbrechungen bis 6:00 Uhr am nächsten Morgen. Die Wände der ehemaligen amerikanischen Botschaft in Teheran verkünden eine unmissverständliche Botschaft. Was allerdings höchst missverständlich ist, sind die damit verbundenen Medienberichte. Die "Achse des Bösen" ist ein politisches und mediales Konstrukt, das wenig mit den Menschen im Iran zu tun hat.
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