Persepolis - Yazd Duschen, Frühstück, Auschecken und los. Für die Strecke nach Yazd rechne ich mit einem ganzen Tag. Es geht schön durch die Berge und die Wüste und ich will zwischendrin ein bisschen wandern gehen. Ich bin super vorbereitet: Für die lange Fahrt habe ich mir eine extragute Playlist angelegt, die Lindt Schokolade liegt kühlschrankkühl in der Mitte des Koffers, isoliert von allen meinen Klamotten. Die Google Maps Karte für die Strecke ist gespeichert, das angestrebte Hotel markiert, das iPhone ist geladen und ich hab Wasser dabei bis zum Abwinken. Die Landschaft ist herrlich, die Sonne brennt. 40 Grad werden es heute Mittag. Die Hitze ist aber sehr trocken, so dass sie gut verträglich ist. Trotzdem wird die erste Wanderung eher ein kleiner Spaziergang. Die Berge sehen auch durch die Windschutzscheibe ganz toll aus. Die letzten Büsche verschwinden, zuerst kommt die Steinwüste, dann die Sandwüste. Es ist topfeben und die Straße ist schnurgerade. Links und rechts liegen immer wieder Trümmerteile von Lastwagen, dessen schlafende Fahrer sie in die Wüste versenkt haben. Kann mir nicht passieren. Die Musik ist super und die weite Landschaft lädt dazu ein, den Gedanken freien Lauf zu lassen. Wegen mangelnder Ablenkung zieht jeder angefangene Gedanke einen beliebigen weiteren nach sich. Ungefähr so: "Mann, ist das flach - vielleicht ist die Erde doch eine Scheibe - ist es im Kofferraum beim Fahren wirklich kühler als beim Stehen? - Wie lange der Weg durch die Wüste wohl zu Fuß dauern würde? - Wenn mann hier geradeausschießen würde, wie weit würde die Kugel fliegen, bis sie auf den Boden klimpert? - Das Allgäu ist auch ganz schön - Kühe - oh, mein Lieblingslied - ich hab schon lange keinen Handstand mehr gemacht - wow, der LKW ist alt - hunger - mal sehen wie schnell der Renault eigentlich fahren kann - ob es staubt, wenn man mit den Reifen ganz dicht am Fahrbahnrand fährt? - Nö - kein Fahrbahnsand - wenn eine Drohne über mir fliegen würde, würde ich es nicht merken - warum bin ich eigentlich nicht Astronaut geworden? - Ob ich ein erfolgreicher Gangster wäre, wenn ich einer wäre? - Ich mag Spaghetti - denken eigentlich alle Menschen so komische Sachen, wenn sie durch die Wüste fahren - vielleicht sollte ich das mal aufschreiben. " Eine Tankstelle mit Shop und Restaurant mitten in der Wüste. Wie im Film "Out of Rosenheim". Ich gönne mir ein Magnum. Mitten in der Wüste. Luxus. Eigentlich könnte ich jetzt mal wieder einen Handstand machen. Aber da kommt ein Minibus mit einer Touristenfamilie und Guide. Nachdem die Damen sich auch ein Eis geholt haben, schlendere ich auf das Grüppchen zu und will sie fragen, ob sie den Film "Out of Rosenheim" kennen. Dass es Deutsche sind, sehe ich schon weitem. Für Italiener sind sie zu schlecht angezogen, für Franzosen sind sie viel zu groß. Als ich fast nah genug bin um sie anzusprechen, steigen sie hektisch ein, Tür zu und sie fahren davon. Liegt's an meinem Ferienprobebart? Sehe ich jetzt aus wie ein Gangster? Oder wie ein Islamist? Jedenfalls haben die jede Menge Vorurteile, da bin ich ganz sicher. Die Wüste fliegt wieder vorbei. "... it's our time to go, but at least we stole the show, least we stole the show - und dann ist Musik aus. Handy aus. Wie bitte? Das war doch heute Nacht an der Steckdose. Es hilft nix, der Akku ist leer. Ohne "Akku fast leer" Warnung. Vielleicht war das wieder so eine Nachttischsteckdose, die mit Ausschalten des Lichtes stromlos wird. Alles schon gehabt. Jedenfalls muss ich den Rest des Weges ohne Google Maps und vor allem ohne Musik managen. Ob ich mal selbst singen soll? Ich finde das Hotel, dessen Namen ich vergessen hatte, auch ganz ohne Karte. Dort treffe ich Sarah und Gerold zum dritten Mal. Wir unterhalten uns prächtig über Straßen in Uganda und meine Polizeierfahrung im Iran. Danach berät mich Phillip aus Berlin, den ich auf dem Hoteldach beim Fotografieren kennenlerne, bei der Frage, Auswandern nach Teheran oder nicht. Er ist sich ganz sicher: Auswandern! Aus Versehen laufe ich nach Sonnenuntergang mitten im Abendgebet in die Moschee. Wenn ich schon mal da bin, kann ich mir das ja auch in Ruhe anschauen. Ich setze mich. Am Mikrophon der Imam auf seinem hölzernen Thron, davor sitzen Männer auf dem Teppich verteilt. Ein kleiner Junge läuft herum und umkreist mich mehrmals. Er scheint zu wittern, dass ich - genau wie er - den Worten des Imams nicht folgen kann und deshalb für Ablenkung anfällig bin. Weil ich den Imam aber nicht verärgern will, bleibe ich hart und spiele kein Verstecken und schicke den Knirps mit strengem Blick zurück auf den Teppich. Hinter mir sitzen die Frauen, die nicht so sehr an den Lippen des Imams hängen. Es ist eher ein Plauderstündchen unter Damen.
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