Allgäu Nachdem wir die kleine Mutti sicher in Asperg abgesetzt haben, gönnen wir uns noch eine Bonusnacht im Wohnmobil. Im Allgäu machen wir es mal andersherum, wie sonst. Wir steigen nicht auf den Berg, sondern nur hinunter. Dazu nehmen wir die letzte Seilbahn (16:30 Uhr) auf das Füssner Jöchle und haben dann den ganzen Berg fast für uns alleine. Unterwegs haben wir zwischenzeitlich kurz Bedenken, ob wir es denn bis zur Dunkelheit bis nach ganz unten schaffen. Das war aber bevor wir die Abkürzung gefunden haben. Wenn man schon mal in den Bergen übernachten kann, muss man sich natürlich den Sonnenaufgang auf einem Gipfel anschauen. Um das zu schaffen wäre es bestimmt gut, mit dem Auto möglichst weit hinaufzukommen, damit der nächtliche Aufstieg nicht allzu lange dauert. Google verrät uns, dass die höchstgelegene Passstraße Deutschlands, der Riedbergpass ist. Google weiß auch, dass die Höhenangabe 1420 m auf dem Passschild falsch ist. In Wirklichkeit sind es nur 1407 Meter. Aber die Alpen wachsen ja noch. Wir stellen uns für die Nacht jedenfalls direkt neben das falsche Schild. So richtig tief schlafen wir aber auf Deutschlands höchster Straße nicht. Bevor wir uns um 23:00 Uhr hinlegen, stecke ich noch meinen Kopf aus der Dachluke. Da ist eine Hütte in der Nähe, in der ordentlich gefeiert wird. Um 23:10 spielt die Band "Sweet Home Alabama". Ich denke an die vierte Klasse, auf dem Campingplatz am Hamburger Elbstrand, mit denen ich das Lied gemeinsam gesungen habe, weil ihre Lehrerin in den Sommerferien nach Alabama auswandert. Um 0:30 Uhr spielt die Band was von DJ Ötzi. Um kurz vor zwei ist Grönemeyer dran. 3:00 Uhr: Hölle, Hölle, Hölle, warum kann ich eigentlich nicht schlafen? Um 4:30 Uhr klingelt der Wecker. Trotzdem ist der Sonnenaufgang phänomenal. Beim Aufstieg wecke ich im Vobeilaufen die Kühe, die dann kurze Zeit später mit ihren Kuhglocken die Gäste der Hütte wecken. Auf dem Fellhorn ist heute großes Alphornblasen. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen. Die Hörner klingen schon prächtig, es gibt aber viel zu viele Ansprachen und Dankesreden. Da haben wir keine sonderlich große Konzentrationsspanne. Und außerdem müssen wir jetzt schleunigst Heim, um das Wohnmobil auszuräumen, morgen ist leider schon Rückgabetermin. Schön war das Reisen mit der rollenden 2-Zimmerwohnung. Sollten wir mal 120.000.- € übrig haben, würden wir uns direkt zum Kauf entscheiden.
0 Kommentare
Prag, Tschechien - Asperg, Deuschland
In Prag wollen wir nur kurz mal in die Stadt schauen, bevor wir uns für den Rest des Tages auf die Straße begeben. Es ist heute so heiß, und die hübsche Stadt ist so voll von Touristengruppen, dass man sich etwas wie im Dampfdrucktopf vorkommt. Nach kurzer Garzeit sind wir denn auch gut durch und köcheln langsam zurück zum Parkplatz. Krakau, Polen - Prag, Tschechien
Die Grenze von Polen nach Tschechien schaffen wir erst im dritten Anlauf endgültig. Erst fahren wir ganz aus Versehen über die Grenze. Dabei wollten wir in Polen noch in den Supermarkt, Geld verbraten. Danach an der Grenze den Mauttransponder zurückgeben und mit dem gewonnenen polnischen Kautionsgeld noch mal zurück nach Polen um den Dieseltank ganz volllaufen zu lassen. Dann müssen wir nur noch den Mauttransponder für Tschechien an der Grenze erwerben und aufladen und ein bisschen Geld wechseln. Und schon sind wir drüben. Europa, wo bist du? Krakau, Polen Die Wieliczka Salzmine ist so riesig, dass es nicht nur Abbaustollen und Verbindungsgänge gibt, sondern gleich eine ganze Menge Kapellen, Restaurants, Festsäle, Skulpturen und auch ein paar Zwerge. Und alles ist aus Salz gemacht. Weil die Luft unter Tage mit dem ganzen Salz so toll ist, gibt es auch ein Sanatorium. In dem 250 Kilometer langen Netz aus Gängen, Schächten und Hallen, kann man sich also auskurieren, feiern, heiraten, am Gottesdienst teilnehmen oder sich einfach nur verlaufen. Seit 1996 wird in der Mine kein Salz mehr abgebaut, jetzt werden nur noch Geldadern der Touristen abgetragen. Das dürfte äußerst ertragreich sein, denn die Eintrittspreise sind - sagen wir es ruhig - gesalzen. Nachdem wir in fast drei Stunden bis in eine Tiefe von 130 Metern gelaufen sind, freuen wir uns doch ganz schön, dass es für die Rückkehr ans Tageslicht einen Lift gibt. Und der ist auch gar nicht aus Salz.
Tschenstochau - Krakau, Polen Die schwarze Madonna von Tschenstochau ist ein Gnadenbild der Jungfrau Maria, wird in Polen als nationales Symbol verehrt und ist die heiligste Reliquie des Landes. So steht's bei Wikipedia. Wir schauen uns heute den Rummel um die Maria aus der Nähe an und staunen nicht schlecht. Alles ist super durchorganisiert. Die Pilgergruppen kommen mit gleichfarbigen Kappen zur Begrüßungssegnung an den Freiluftaltar marschiert, dabei wird laut Hallelujah (oder Ähnliches) gesungen. Damit es auch alle hören, läuft immer jemand mit Megaphonen auf dem Rucksack mit. Danach geht es weiter durch das Klostertor bis zur Kapelle mit der schwarzen Madonna. Auch dabei wird wieder laut gesungen und/oder musiziert. Nach dem zweiten Tor gibts eine ordentliche Weihwasserdusche mit dem groben Besen. Wer vom Pilgern noch nicht verschwitz ist, ist spätestens jetzt ordentlich nass. Vor dem Bild der schwarzen Maria staut es sich gewaltig. Langsam rücken die Massen auf, bis sie vermutlich einen kurzen Blick auf das heilige Bildnis erhaschen können. Viel besser sichtbar ist das Neonschild mit dem durchgestrichenen Fotoblitz direkt neben der Maria. Der durchschossene Gürtel vom Anschlag auf Papst Johannes Paul II hängt auch hier. Mit echtem Blut drauf, wie die Infotafel verrät. Wie üblich, ist am Ausgang der Souvenirshop. Anders als bei sonstigen Attraktionen, kann man sich seine Mitbringsel hier gleich vor Ort vom Kirchenmann segnen lassen. Krakau ist so schön, dass wir sofort der Versuchung einer Kutschenfahrt erliegen. Das schont nicht nur die eigenen Beine, sondern macht einen selbst sofort zur Touristenattraktion. Die Altstadt sieht auf Fotos aber auch einfach noch besser aus mit Pferden und Kutschen im Vordergrund. Wir winken huldvoll.
Warschau - Tschenstochau, Polen Das Ziel des Tages heißt Tschenstochau. Dort wartet die schwarze Maria auf uns und die anderen Pilgerer, die morgen zum "speziellen Feiertag" erwartet werden. Wir kennen uns da nicht so gut aus. Der Weg mit dem Auto ist gar nicht so sehr beschwerlich und es liegen auch noch allerlei irdische Sehenswürdigkeiten auf dem Weg. Das Schloss in dem Ort mit N... irgendwas, zum Beispiel. (Heute sind wir wirklich schlecht vorbereitet). So ein kleiner Ort mit so viel Prunk und Pomp. Warum gerade hier im Nirgendwo? Wir wissen es nicht. Im nächsten Ort stehen lauter Ruinen wiederaufgebauter Ruinenreplikas im Park. Das ist verwirrend. Und Tempel gibts auch. Und ägyptische Skulpturen. Ein bisschen Gotik hier und ein Aquädukt dort. Manchmal ist es spannend wenn man seine Unwissenheit nicht beseitigt, da kann man viel besser staunen. Außerdem sind wir heute lesefaul. Am Abend kommen wir in Tschenstochau an. Zu spät, die Maria ist schon hinter ihrem Metallvorhang veschwunden. Das Tor ist auch zu. Wir campen zwischen lauter echten Pilgersleuten und haben schon fast einen Heiligenschein.
Warschau, Polen Die Altstadt in Warschau sieht schön aus. Allerdings hat der Krieg so heftig gewütet, dass kaum ein echter historischer Stein auf dem anderen blieb. Nach dem zweiten Weltkrieg war so wenig von Warschau übrig (< 15 %), dass es Überlegungen gab, die Stadt lieber an anderer Stelle neuzubauen. Dann hat man aber doch lieber alles mühevoll rekonstruiert. Das hat sich richtig gelohnt. 2008 haben wir Itzchak Belfer in Tel Aviv für ein Interview getroffen. Der Künstler, der seine Kindheit im Waisenhaus von Janusz Korczak in Warschau verbrachte, erzählte uns viel vom Alltag im Warschauer Getto und im Waisenhaus. Jetzt stehen wir hier, an der Stelle des ehemaligen Gettos. Itzchak entkam nach Russland, die meisten anderen Waisenkinder wurden, ebenso wie Janusz Korczak, ermordet. So, jetzt werden wir gemütlich das WM Endspiel lesen. Ja, lesen. Im Ausland darf der Live Stream vom Spiel aus rechtlichen Gründen nicht gezeigt werden. Fernseher gibt's hier keinen. Also lesen wir im Live Ticker mit. Komisch, dass man seine Rundfunkgebühren auch zahlen darf, während man im Ausland ist. Das müsste eigentlich aus rechtlichen Gründen untersagt sein.
Danzig - Malbork - Warschau, Polen Die Marienburg, das Mutterschiff aller Burgen, ist die größte Anlage ihrer Art. Das zieht natürlich Touristen an, und zwar nicht zu knapp. Nach dem wir eine Stunde gebraucht haben um an Tickets zu kommen, lassen wir uns von den Menschenmassen durch die Gänge schieben. So richtig eindrucksvoll wirkt das Backsteinmonster auf die Weise nicht. Dass in jeder Halle mindestens drei Reiseleiter ihren Text in die Luft brüllen, macht die Sache auch nicht stimmungsvoller. Der strömende Regen hilft auch kein bisschen und so ist dann das Beste am Tag, die Brotzeit im Auto vor der Burg. Der Tag ist kürzer als die Straße lang ist, und wir fahren bereits dem Vollmond entgegen, als wir endlich den auserwählten Stellplatz in Warschau erreichen. In der verlassensten Straße, die man sich vorstellen kann, abbiegen auf einen Feldweg, dann durch die Büsche und dann ist da eine Wiese im Wald mit kleinem Haus daneben. Das soll es sein? Außer uns ist niemand da. Wir bleiben auch nicht lange und machen uns schleunigst vom Acker. Noch eine halbe Stunde später und wir stellen uns mitten in der Stadt in eine Schlammkuhle, die sich 123 Camping nennt. Für morgen erwarten wir wieder Sonne und trocknende Böden.
Danzig Das Fort Weichselmünde ist innen kreisrund, wie ein Donut, die Wände des Turms sind durchlöchert, wie Schweizer Käse und in den Wohnstätten der Soldaten ist es eng, wie in einer Tic Tac Schachtel. Weil wir die einzigen nichtpolnischen Besucher sind, bekommen wir eine Einzelführung auf Englisch, ganz gratis. Genau hier hat er angefangen, der zweite Weltkrieg. West Platte, kurz vor Danzig. An diesem Wachposten fielen die ersten Schüsse. Ein deutsches Schiff feuerte am 1. September 1939 zuerst auf den kleinen aber wichtigen polnischen Posten, was im Deutschen Rundfunk dann so klang: "Seit 5:45 Uhr wird zurückgeschossen." Im Wald stehen noch beeindruckend beschädigte Ruinen und in den Souveniershops kann man alles kaufen, was man braucht um den Krieg nachzuspielen. Es ist Wochenende und hier wird gerne gefeiert. Wir schlafen zu den wummernden Bässen ein, die vom Strand herüberschallen. Modern Talking ist auch dabei.
Danzig "Maikäfer flieg! Der Vater ist im Krieg. Die Mutter ist in Pommernland. Und Pommernland ist abgebrannt." Das hat mir die große Mutti früher vorgesungen. Und dabei wurde sie immer traurig. Hier in Danzig wurde sie und mein Onkel Klaus geboren. Die Familie hatte hier ihre Stadtwohnung im schicken Stadtteil Oliva. An den Wochenenden und in den Ferien fuhren die Kinder auf den Gutshof der Familie - Wiebenhof - mit den vielen Trakhener Pferden. Als meine Mutter 10 Jahre alt war, im Januar 1945, musste die Familie flüchten. Ein kleiner Teil der Familie fand Platz auf der Wilhelm Gustloff, die noch am selben Abend mit über 9000 Menschen an Bord unterging. Darunter auch ein Cousin meiner Mutter, dessen Namen ich jetzt trage. Mutti und die Großeltern hatten Glück, sie nahmen ein Schiff später und kamen unversehrt in Kiel an, um von dort aus ein neues Leben zu beginnen. Das Gutshaus in Pommern steht inzwischen nicht mehr, nur die Pferdeställe dienen noch als Unterstände für Traktoren. Ein paar Plattenbauten sind hinzugekommen und aus Wiebenhof wurde Wiebowo. Die Aktien der Schichau Werft in Danzig, die mein Opa besaß, wurden mit den späten Kriegsereignissen wertlos, die Werft später zur Lenin Werft umbenannt. 1980 begann genau in dieser Werft das langsame Ende des Ostblocks. Die Solidarność Bewegung der Werftarbeiter, führte letztendlich zum Fall der Berliner Mauer und zur Auflösung der Sovjetunion. Inzwischen lebt die große Mutti in Hamburg. Danzig wollte sie nie wieder sehen.
|