Flug von Singapur nach Manila. Im Billigflieger gibt's keine Bildschirme, dafür die Möglichkeit gratis aus dem Fenster zu schauen. Ich bin ja so etwas wie der letzte leidenschaftliche Rausgucker der Welt und während in der ganzen Kabine die Fensterläden runter gezogen werden um das Tageslicht auszusperren, schaue ich mir das Schauspiel vor dem Fenster an. Tief unten glitzert das dunkelblaue Meer. Hier und da ein Korallenriff oder eine kleine Insel. Dann sieht man am Horizont den schneebedeckten Himalaja, majestätische Eisberge und ein Pferd, das offensichtlich Karate kann und zum Chinesen mit Schnurrbart mutiert. Es könnten allerdings auch Wolken sein. Dann hat die Sonne ihren Einsatz. Zuerst versetzt sie alle Eisberge, Pferde und Chinesen in einen wahren Farbrausch, um dann ihren Abgang mit einem dramatischen Leuchtstreifen am Horizont zu untermalen. Langsam kann man die ersten Sterne weit unter den Wolken leuchten sehen. Es könnten allerdings auch Fischerboote sein. Oder wir fliegen über Kopf. Nach den vier Flugstunden, habe ich einen total verdrehten Hals und vermutlich einen Sonnenbrand auf der Netzhaut. Am Flughafen Changi in Singapur, kann man gar nicht früh genug da sein. So viele Sachen kann man dort machen. Der Airport hat neben den üblichen Shoppingmeilen, mehrere Kinos, mehrere botanische Gärten, einen Schmetterlingsgarten, Schlummerzonen, gratis Massagesessel und natürlich fantastisches Essen. Zu einem der botanischen Gärten gehört der social tree. Ein elektronisches Displaygewächs, auf dem wir uns verewigen. In Manila haben wir ein dickes Problem. Der Geldautomat spuckt nur 1000 Peso Scheine aus. Der Taxifahrer, kann uns auf so einen Monsterschein natürlich nicht herausgeben. Wir brauchen zwei Supermärkte und dort das gesammelte Geld aus mehreren Kassen, plus die geheimen Reserven der Kassiererinnen um den unhandlichen Schein kleinzukriegen. 1000 Peso sind 16,- €. Ein Arbeiter verdient auf den Philippinen im Monat ca. 5000 Peso, ein Lehrer ca. 10.000 Peso. Es gibt also dickere Probleme als unseres.
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In Singapur haben wir sooo viel zu tun. Wichtigste, langwierigste, häufigste und genüsslichste Tätigkeit: Essen aussuchen und essen. Die Auswahl ist so unverschämt riesig, dass es vermutlich nicht möglich ist, alle Gerichte an allen Essständen der Stadt zu probieren. Auch nicht, wenn man sich ein ganzes Leben Zeit nimmt und täglich fünf Mal essen geht. Allein an unserer Metrostation gibt es vier große Shopping Malls, mit jeweils mehreren Foodcourts, die wiederum jeweils ca. 100 Essstände haben. Dazu kommen noch die Essecken in den Metrogängen, auf der Straße - und Restaurants gibt's natürlich auch noch. Leeecker! Zwischen zwei Mahlzeiten, schaffen wir es, 5 Kilogramm unseres mobilen Haushalts in ein Paket zu packen und bei der Post auf den Seeweg nach Hause zu bringen. Erleichternd. Im Buddha Tooth Relict Temple in Chinatown, wird tatsächlich ein echter Zahn des echten Buddhas aufbewahrt! Wunderbarer Weise wurde der 1980, in einem eingestürzten Tempel in Burma entdeckt (oder erfunden) und dann hierher gebracht. Sehen kann man den Zahn natürlich nicht, wie das eben mit Wundern so ist. Aber ein schicker, großer Tempel wurde 2005 drumherum gebaut. Und seit dem gibt es in Chinatown neben dem großen Hindi Tempel und der Moschee auch einen buddhistischen Tempel. Alle in der gleichen Straße. Göttlich. In Singapur geht alles schnell. In der Zeit vom Druck unseres Reiseführers, bis zu unserem ersten Aufenthalt in Singapur, vor vier Wochen, wurde die Metrostation eröffnet, an der wir letztes Mal gewohnt haben. Damit wir auf dem neuesten Stand sind, haben wir uns damals eine neue Liniennetzkarte auf's Handy geladen. Diesmal wohnen wir woanders und bedauern, dass es von uns keine Direktverbindung nach Chinatown gibt. Als wir in die Station laufen, schauen wir nicht schlecht: In der Zeit, in der wir in Australien waren, wurde eine neue Line eröffnet. Mit Direktverbindung nach Chinatown. Wir laden uns wieder eine neue Liniennetzkarte auf's Handy. Falls wir 2030 wieder kommen, müssen wir das nochmal machen. Bis dahin werden fast 200 Kilometer neue U-Bahn Srecken zusätzlich gebaut.
Auch an Fußgängerampeln geht alles schnell. Kaum ist es Grün geworden, fängt das grüne Männchen auch schon an zu blinken und ein Countdown zeigt einem die verbleibende Restzeit bis zum Tod durch Überfahren an. Damit auch ältere Menschen eine reelle Chance haben, die Kreuzung unbeschadet zu überqueren, können sie an der Ampel mit ihrem elektronischen Rentenausweis einchecken und damit eine verlängerte Grünzeit beantragen. Grün plus. Die Abreise aus Australien beginnen wir stilvoll mit der Fähre, die uns zum Sonnenaufgang in die Innenstadt bringt. Leise und schnell gleitet "Rivercat" über das Wasser. Wer mit diesem Boot zur Arbeit pendeln darf, kann keinen schlechten Job haben. In Singapur schlafen wir zur Abwechslung mal in einem Kapselhotel. Das ist ein bisschen, wie wenn man im Schließfach liegt. Nur mit Rollo statt Stahltür. Zum Glück. Wir haben Box Nummer 7. Seit gestern kündigt sich ein spannender Kampf um den Worst Company Award an. Heute wird die Entscheidung fallen, welche Firma schafft es, dem Fass den Boden auszuschlagen? Nominiert sind Qantas, Sydney Trains und Mastercard. Qantas startet quasi von der Poleposition und hat eine mächtigen Vorsprung durch den vermasselten Koffertransport mit anschließendem Kommunikationswirrwar. Und auch beim Online Check In werden wir wieder aufgefordert uns gefälligst Sitze auszusuchen, was dann aber gar nicht geht. Am Flughafen nimmt mir Frau Resolut die Reisepässe am Self-Check-In sofort weg. Ich soll nicht den Pass einscannen, sondern alles eintippen. Ich versuche sie zu überreden, es mich doch versuchen zu lassen, schließlich ist es ja ein Self-Check-In und außerdem möchte ich nur die Bordkarten ausdrucken. Jetzt wird sie hellhörig. Ich habe gar nichts Ausgedrucktes dabei? Das geht gar nicht. Ich soll sofort zum Problemschalter. Der Einwand "E-Ticket", bringt mir gar nichts. Als ich vom Problemschalter ohne Ausdruck zurückkomme, ist Frau Ruppig nicht mehr da, sondern Frau Sehrcharmant. Wir werden dauernd "Darling" genannt und alles geht auf einmal. Im Flugzeug sinken die Chancen auf den Worst Company Award rapide. Alle lächeln und sind gut drauf. Wir werden Dank meiner Größe sofort umgesetzt, auf die bequemen Notausgang Plätze mit extra viel Beinfreiheit. Nach dem Essen gibt es nicht wie gewohnt "tea or coffe?" sondern "tea, coffe or hot chocolate with marshmellow?" Tja, obwohl hoffnungsvoll gestartet, muss Qantas leider vom WCA disqualifiziert werden.
Sydney Trains können ihre Position durch ein plumpes Ausbeutungsmanöver ausbauen. Egal wohin in Sydney, es kostet immer 3,80 $. Es sei denn, man möchte am Flughafen aussteigen. Dann werden 18,80 $ fällig! Fährt man weiter, wären es wieder nur 3,80 $. Wir umgehen den teuren Preis mit einem geschickten Fahrtunterbrechungsmaneuver, bei dem ich kurz raus aus den Ticketschranken muss und zwei Kurzstrecken nachlöse. Soweit der Plan. Leider etwas offensichtlich und die Frau mit dem Funkgerät hat mich schon entdeckt und besteht auf ihrem einen Satz, den sie wiederholt, egal was ich sage oder frage: "This Station is not part of the City." Da wir unser Geld aber so perfekt verplant haben, dass uns bis zum Abflug rein gar nichts mehr übrig bleibt, kann ich ihrer Aufforderung mehr zu zahlen nicht nachkommen. "You can pay by credit card", rutscht ihr aus Versehen doch noch ein zweiter Satz heraus. Wenn die wüsste. Ich kann eben nicht mehr mit Kreditkarte zahlen und deshalb habe ich auch kein schlechtes Gewissen, als ich über die Schranke hopse, um kurz darauf wieder mit neuen Billigkarten einzuchecken. Und damit wären wir beim klaren Favoriten auf den WCA. Mastercard. Am Geldautomat war ich noch optimistisch. Karte gesperrt? Egal, muss man eben wieder entsperren lassen. Nach dem 5. Anruf und der zweiten Mail in der Nacht vor der Abreise, hat Mastercard den Award quasi schon in der Tasche. Ich habe so eine Kinowerbung aus den 80ern im Kopf: Da verliert ein Mann mitten im Urwald seine Mastercard. Panik. Aber völlig grundlos. Denn der Mastercard Troubleshooter ist schon im Hubschrauber unterwegs, seilt sich ab, schlägt sich das letzte Stück mit der Machete durch den Dschungel und überreicht die neue Karte innerhalb von 24 Stunden dem erleichterten Besitzer. Am Telefon erfahre ich immer wieder neue Gründe der Sperrung, höre aber immer wieder den gleichen Satz: "Entsperren geht nicht und wenn Sie im Ausland sind und dort keinen festen Wohnsitz haben, können wir Ihnen nicht helfen." Ich erfahre auch, dass ich der erste Fall in der Geschichte der Kreditkarte bin, der über einen längeren Zeitraum auf Reisen ist und dem die Karte gesperrt wurde. So etwas hat es noch niiiieeeee gegeben. Für mich am nächsten Tag zur Bürozeit einen Anruf bei der zuständigen Stelle zu machen, können die Mitarbeiter auf keinen Fall. Auch nicht in dieser speziellen Situation: Ich morgen in Singapur, in drei Tagen in Manila und so weiter und nicht überall die Möglichkeit zu telefonieren? "Nein, das steht nicht in unserem Aufgabenkatalog." Herzlichen Glückwunsch. Worst Company Award. Wir haben natürlich noch eine zweite Kreditkarte. Aber Überdramatisieren am Telefon hilft manchmal. :-) Gestern Abend haben wir alles für unseren heutigen Auszug aus der rasenden Wohnschachtel vorbereitet. Aufgeräumt, gepackt, Wäsche gewaschen und zum Trocknen aufgehängt. In der Nacht sollte alles trocknen, der Wetterbericht sagte für nachts bestes Mondwetter, bei null Prozent Regenwahrscheinlichkeit voraus. Um 5:24 Uhr schreckt Katrin hoch. Regnet es? Ich drehe mich um, weil es ja gar nicht regnen kann. Als ich dreiviertelwach bin, ist Katrin schon wieder mit der halbnassen Wäsche zurück. Und dann geht der Regen richtig los. Draußen stimmt ein Lachender Hans seinen Morgengesang an: "Haaahahahah, huhuhuhu, haaahahahah". Wir fanden es ja auch lustig. Für den Rest der Nacht, ist der Bus von Innen mit Wäsche dekoriert, wie ein Weihnachtsbaum mit Lametta. Dass es in Australien schwer ist, etwas zu verschenken, haben wir schon des Öfteren bemerkt. Egal was wir abzugeben haben - gültige Parkscheine, Eintrittskarten, Bahnfahrkarten - man weicht uns meist aus, lehnt ab und kauft lieber selber. Vielleicht sehen wir ja zu gefährlich aus? Heute haben wir jedenfalls das ultimative Australia Welcome Package zusammengestellt. 3 Wochen alte Bettwäsche und Handtücher, frisch duftend gewaschen mit Kissen und Decken, plus Karten, Straßenatlas, Waschmittel, Klammern und fünf gute Hörbücher für lange Fahrten. Da schon das Ausleihen der Bettwäsche bei der Autovermietung 70.- $ kostet, könnte man damit richtig Geld sparen. Bei der Fahrzeugübergabe, denken wir, wird man uns die ordentlich hergerichteten Sachen sicherlich aus der Hand reißen. Außer dem Päckchen Waschpulver werden wir nichts los. Wir finden sogar Deutsche, die aber noch nicht mal Hörbücher für geschenkt nehmen würden. Dann stellen wir halt alles in die Ecke. So. Die letzte Nacht in Australien übernachten wir im Admiral Collingwood Haus. Mit so viel Platz um uns herum sind wir schon fast überfordert. Das Zimmer ist so groß, da hätte man glatt drei Wohnbusse drin parken können. Unglaublicher Luxus. Beim Abendessen lernen wir Manfred und Gaby aus Kiel kennen, ein Lehrerpärchen im Sabbatjahr. Im Garten singen die Vögel und wir genießen es in einem richtigen Haus zu wohnen.
Wie bringt man Autofahrer dazu, sich nicht nur an der Radarfalle, sondern über eine lange Strecke an das Tempolimit zu halten? Man registriert die Uhrzeit der Einfahrt in einen Kontrollabschnitt mit einer Kamera und kontrolliert dann, sagen wir 100 Kilometer später, ob die Zeit bis zur Ausfahrt zu gering war, um mit erlaubter Höchstgeschwindigkeit gefahren zu sein. Also gibt es nur zwei Wege einer gerechten Strafe zu entkommen: Sich an das Tempolimit halten oder vor der zweiten Kontrolle eine Snackpause am Straßenrand einlegen. Da wir 100% regeltreu sind, haben wir natürlich nur für das Foto angehalten. Wenn wir gerade bei Verkehrsdingen sind, in Australien ist ganz strenge Helmpflicht für Radfahrer. Dafür darf man aber auch mit dem Fahrrad auf der achtspurigen Autobahn fahren! Natürlich nur ganz links, aber an den Ausfahrten ist das Ganze trotzdem abenteuerlich. Heute haben wir es ganz bis Sydney geschafft. 5300 Kilometer hat es unser Wohnvan mit uns ausgehalten. Morgen darf er wieder zur Autovermietung zurück und bekommt dort hoffentlich neue Schrankgriffe, Türgummis, ein neues Türschloss, einen neuen Rauchmelder, eine neue Schublade, eine neue Schranktür, neue Batterien für den Schlüssel und eine neue Befestigung des hinteren Stoßfängers.
Wir nehmen uns für die letzte Nacht im Bus einen gediegenen Campingplatz in Sydney. Am Strand zwischen Manly und Palm Beach. Dort soll die "worlds best urban surfside" sein. Die waren offensichtlich noch nicht in Rio, aber es ist trotzdem wunderschön. In Cobar gibt es nur einen Grund für eine Siedlung: Kupfer. Alles andere gibt es nicht. Deshalb muss sogar das Trinkwasser mit LKW oder Zügen angeliefert werden, solange es nicht genug regnet. In alle Richtungen ist die nächste Ortschaft stundenlange Fahrten entfernt. Wir brechen noch ein letztes Mal auf zur Outback Straßenmeditation. Die geht so: Das Fahrzeug auf 120 km/h beschleunigen und dann für die nächsten Stunden das Lenkrad stur geradeaus halten, den Gasfuß keinen Millimeter bewegen und den Horizont fixieren. Raum und Zeit werden dabei relativ relativ. Aber irgendwann haben wir es geschafft und wir registrieren die ersten Anzeichen der Zivilisation. Kühe, Getreidefelder und die Ortschaften sind inzwischen auch nicht mehr 200 Kilometer voneinander entfernt. Am Abend gibt es wieder echte Supermärkte und sogar ein Hüpfkissen!
8;15 Uhr. Wir sind zu Gast in der School of the Air, Broken Hill. Alle 37 Schüler sind da, aber nicht hier. Die Schule unterrichtet Kinder, die "geografisch isoliert" leben. So weit weg von allem, dass die nächste Schule unerreichbar ist. Die Kinder sitzen also vor ihren Computern Zuhause und die Lehrer im Studio 1. Über Satelliteninternet sind alle miteinander verbunden. Die Schüler können die Lehrer hören und sehen und wer sich meldet, kann auch eingeblendet werden, so dass ihn alle hören und sehen können. Nach der Begrüßung müssen alle aufstehen und gemeinsam die Nationalhymne singen. Dann werden die Geburtstage der Woche verkündet und die Schüler, die diese Woche eine besondere Auszeichnung verdient haben. Dann klappt es mit der Technik nicht so ganz und die Schüler nutzen die Gelegenheit im Chat auszutauschen, was gestern im Fernsehen der Hit war, wer welches Spiel an seiner Xbox gezockt hat, wer einen Platten an seinem BMX hat und wer wessen bester Freund ist... Die Vorstellung einer realen Klasse, die über tausende Kilometer verstreut ist, ist schon speziell. Unterrichtet wird zum Teil Online, zum Teil als Fernkurs mit Selbstlernaufgaben und mindestens einmal im Jahr treffen sich alle Kinder einer Klasse in Broken Hill und machen so etwas wie normales Schulleben. Jeder Lehrer hat die Pflicht, jeden seiner Schüler einmal im Jahr Zuhause zu besuchen. Für einige Familien ist das manchmal der einzige Besuch eines Menschen im ganzen Jahr. Es ist noch keine 10 Jahre her, da wurde der Unterricht in der School of the Air über Funk praktiziert. Die neue Technik eröffnet natürlich ganz neue Möglichkeiten. Allerdings bemerkt der Rektor nicht ganz zu Unrecht: "Wir sind Lehrer, keine Techniker." Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Lehrer ihr Studio mehr holprig als elegant bedienen. Einen Techniker vor Ort gibt es nicht. Mit ihrer ganz eigenen Taktik, umschiffen die Fernlehrer die Tücken der Technik und drucken die Powerpoint Präsentationen einfach aus und legen sie unter die Dokumentenkamera. Von Broken Hill nach Cobar sind es 460 Kilometer. Die Strecke ist die Mutter der Eintönigkeit. Schnurgerade, flach, Wüste, das war's. Man könnte das Lenken fast vollständig einstellen, wären da nicht die Känguru Kadaver, denen man pausenlos ausweichen muss. Mindestens ein totes Tier kommt auf jeden Kilometer. Krähen tun ihr Bestes, das Aas zu beseitigen, kommen aber nicht schnell genug hinterher. Die Beuteltiere haben scheinbar ein großes Talent, genau im falschen Moment in die falsche Richtung loszuspringen. Am liebsten tun sie das in der Dämmerung, was erklärt, warum unsere Autoversicherung nur bis 18:00 Uhr gilt.
Der einzige Ort auf der Strecke ist Wilcannia. Hier leben viele Aborigines. Und das sieht so aus: Betrunkene liegen auf der Straße, Häuser haben Stacheldrahtzäune und vergitterte Fenster, man warnt uns im letzten Ort hier vorsichtig zu sein. Es ist fünf Jahre her, dass sich die Australische Regierung erstmals öffentlich für das Leid der Aborigines entschuldigte, dass ihnen zugefügt wurde. Die Arbeitslosigkeit und Kriminalitätsrate der Aborigines ist dreimal so hoch, wie die der Weißen Bevölkerung, die Lebenserwartung 17 Jahre geringer. Der Alkoholkonsum im Freien ist inzwischen verboten. Im Outback ist man ständig von allem zu weit weg. Bei einem medizinischen Notfall ist das ganz unerträglich blöd. Deshalb hat sich ein kluger Mann die Royal Flying Doctors einfallen lassen. Und das geht dann so: Braucht ein Buschbewohner Hilfe, greift man zum Telefon oder Funkgerät und spricht mit den fliegenden Ärzten. Auf einer Körperkarte, die jeder in der Nähe seines Funkgerätes haben sollte, ist der Mensch in Planquadrate eingeteilt. Mit der Angabe des betreffenden Körperplanquadrates und der Schilderung der dortigen Schmerzen oder Verletzung, stellen die Ärzte eine Ferndiagnose und leiten den Anrufer zur (Selbst)Behandlung an. In jedem einsam liegenden Haushalt gibt es einen großen Notfallkoffer mit allerlei Medikamenten und praktischen Dingen. Daraus kann der Arzt aus der Ferne munter verabreichen. Wenn das alles nichts hilft, kommen die Ärzte in ihren schicken zweimotorigen Flugzeugen schnell selbst eingeflogen. Vorher muss aber jemand vor Ort streunende Tiere von der Landepiste hinter dem Haus vertreiben oder die Straße für die Landung absperren. Fast wie im Fernsehen. Broken Hill ist eine Stadt der Minen. Hier wurde und wird Blei, Silber und Kupfer abgebaut. Vor den Toren der Stadt stehen noch herrlich verlassene Reste einstiger Grubensiedlungen. Eine davon (Silverton) diente schon über 100 Film- und Fernsehproduktionen als Hintergrund. "Mad Max 2" zum Beispiel. Der Weg nach Silverton führt natürlich durch einsame Wüste. Wir stellen uns mitten in die Wüste, kochen uns ein Süppchen und fühlen uns wie Mad Max. Die Suppe macht schön warm, denn obwohl die Sonne vom Himmel brennt ist es verblüffend kühl. Sonnenschutzfaktor 50+ mit Pullover und Schal. Wie der Lokomotivfriedhof in Broken Hill wohl heißt? Broken Train vielleicht. Zum Sonnenuntergang kommt uns ein Flötenvogel besuchen und möchte etwas von unserem Brot. Er sieht zwar ganz unexotisch aus, eher wie eine Mischung aus Krähe und Elster, macht aber das schönste aller Vogelkonzerte. Ungefähr so: Gulugg guullug düdelüüü guuullgg düü dööö drööö döt gullliiigullu gulululu. Es klingt ein bisschen, wie wenn man an einem alten Funkgerät rundreht. Wir nennen ihn Roger.
So langsam müssen wir wieder Richtung Sydney. Bis dahin sind es aber noch einige Tage durch's Outback. Der Begriff "endlose Weiten" trifft es schon ganz gut. Wir fahren mit 120 Km/h. Die Landschaft ist aber so übersichtlich, dass es sich anfühlt, als ob wir stehen. Außer ein Road Train kommt entgegen. Dann wird es für kurze Zeit turbulent. Im Moment der Begegnung, wird unser Hochdachbus fast von der Straße geblasen (Road Trains fahren auch 120 Km/h). Ist das Monster vorbei, zieht uns der Sog mindestes bis in die Straßenmitte. Road Trains sind Sattelschlepper mit Sattelauflieger und Anhänger und noch einem Anhänger. Beeindruckend. Noch viel mehr Anhänger hat allerdings ein richtiger Zug. Ein schönes Exemplar überholt uns während unserer Siesta in Peterborough. Da Straße und Schiene immer fast den gleichen Weg nehmen, ist es nur eine Frage der Zeit bis wir ihn eingeholt haben. Er steht einfach so am Straßenrand und muss warten, bis der Gegenzug vorbeigefahren ist. Ich nutze die Gelegenheit und stelle mich den beiden Lokführern vor. Wir müssen natürlich vergleichen, wer die stärkeren Lokomotiven hat. Deutschland gewinnt. Mit 8000 PS muss sich der Zug aber auch nicht verstecken und mit 115 Km/h ist der Container Express auch fast so schnell wie unser Wohnbus. Aber eben nur fast. Lokführer zu sein ist in Australien ein richtig super bezahlter Job und in den Lokomotiven gibt es eine Dusche und eine Küche. Okay, Punkt für Australien. Obwohl wir eine Strecke wie halb durch Deutschland zurücklegen, kommen wir nur durch ein paar winzige Ortschaften und eine verlassene Siedlung. In der Geisterstadt ist alles kaputt. In einem Haus, sieht es aber aus, als ob doch jemand hier wohnt und sich ab und zu am Kamin wärmt. Wer weiß...
Hurra, Outback Abenteuer! Das Beste an unserem Klapperbus ist - abgesehen von der Klimaanlage - die Tatsache, dass man ihm schon was zumuten kann. Der Neulack ist sowieso schon ab. Wir sind also nicht zimperlich bei der Wahl der Routen und fahren auch mal auf Schotterpisten durch's Outback. Den ganzen Tag über kommen wir nur an zwei Ortschaften vorbei. Blinman (30 Einwohner) und Parachilna (4 bis 7 Einwohner). Wo so wenig Menschen wohnen, sind Brücken viel zu teuer. Also baut man die Straßen und Pisten durch die Flussbetten. Meist sind die Flüsse sowieso ausgetrocknet und sonst muss man halt durchs Wasser fahren. Die rauen Pisten lassen alles im Bus noch eindrucksvoller klappern als gewöhnlich. Geschirr und Besteck machen unglaubliche Percussion, unsere Antenne schlägt tadelnd aufs Dach, die Schiebetür mit dem losen Türgummi flattert und knattert und sogar der Rauchmelder geht einige Male los. Natürlich hängt sich auch wieder der Stoßfänger aus. (Obwohl er gar keinen Stoß gefangen hat.) Parachilna ist sogar auf der Australien Karte verzeichnet. Nicht weil es eine erwähnenswerte Ortsgröße hätte, sondern weil an der Stelle sonst einfach nichts wäre. Nach abweichenden Angaben gibt es 4, 6 oder 7 Einwohner. Es gibt ein Hotel, zwei Zapfsäulen, ein Bahnwärterhäuschen ein Gleis und eine Straße. Als wir da sind, ist niemand sonst im Ort. Alle ausgeflogen. Heute kochen wir zum Sonnenuntergang am Straßenrand. Ein anderes Auto kommt nicht vorbei, dafür aber ein großer Schwarm Rosakakadus, die in Richtung untergehende Sonne fliegen.
Wir sind auf dem Weg ins Outback. Also dahin, wo die Zivilisation weit weg ist. Wir sind vorbereitet. Unser Minikühlschrank ist so voll, dass eigentlich kein Kubikzentimeter Luft mehr drin sein kann. Unter dem Bett haben wir so viele Wasserflaschen gebunkert, dass es eigentlich fast schon ein Wasserbett ist. Alle Akkus sind voll, der Tank auch. Los geht's. Unterwegs kommen wir durch eine verlassene Ortschaft, von der nur noch die Grundmauern und ein kleiner Friedhof übrig sind. Der Fluss ist so gut wie ausgetrocknet, dafür gibt es aber Unmengen an Fliegen. Es sind so viele, dass die 30 - 50 Tierchen auf den Klamotten gar nicht weiter stören, solange einem nicht dauernd welche um die Augen schwirren. So müssen sich Pferde fühlen. Man wünscht sich spontan rotierende Pferdeschwänze am ganzen Kopf. Später fahren wir an blau-rot-weißen Salzseen vorbei. Die Ränder sehen verkrustet und stabil aus. Sind sie aber nicht. Ich muss meine Schuhe heute gleich mehrmals von zähem, rotem Salzschlamm befreien. In einem See soll es ein Aal-Ungetüm geben. Loch Eel. Wir haben nix gesehen. Oder siehst du etwas? Am Abend sind wir in Hawker. Weit weg von allem und mit 300 Einwohnern. Wir laufen kurz nach Sonnenuntergang hinaus in die Prärie und schauen uns den Mondaufgang an. Alles ist still. Nur wir, die Sterne, ein paar Kakadus und ein Frosch. Und dann kommt der fast noch volle Mond genau am Ende der Straße hinter den Bergen wie eine riesige Laterne vor und löscht ein paar Sterne aus. Wir hinterlassen lange Schatten auf dem Asphalt. Was für eine Nacht.
Adelaide ist eine mittelgroßer Stadtquader, von einem Rechteckpark regelrecht eingerahmt. Alle Straßen sind schnurgerade, alle Kreuzungen natürlich rechtwinklig und das Ganz in topfeben. Das hat den merkwürdigen Effekt, dass man von jedem Punkt der Innenstadt aus, in alle vier Richtungen aus der Stadt herausschauen kann. Dafür kann man aber auch um die ganze Stadt herum joggen, ohne einmal die Grünanlagen zu verlassen. Dabei kommt man auch am Lotosteich vorbei. Und das ist doch mal herrlich. Die Pflanzen sind in jedem Stadium wunderschön. Knospe, Blüte, junge Frucht, alte Frucht. Natürlich muss man auch ganz oft probieren, wie Flüssigkeiten auf den Lotosblättern abperlen. Einfach toll. Gestern haben wir gedacht, wir hätten endlich mal ein gut funktionierendes und schnelles Internet in Australien gefunden. Doch kaum haben wir uns für 6,- $ die Stunde eingeloggt, sehe ich durchs Fenster einen Lichtblitz, dann ein Knall und dann ist das Netz weg. Vermutlich habe ich ein zu dickes Bild hochgeladen und die Leitung gesprengt. (Es war dann doch ein Trafo in der Nachbarschaft, der in die Luft gegangen ist.)
Auf der Fahrt nach Adelaide kommen wir an einer Art Museumsdorf vorbei. Eine Stadt, wie zu Pionierszeiten. Da wir die einzigen Besucher sind und die Sachen schon so lange herumstehen, dass sie stark mitgenommen aussehen, wirkt es auch ein wenig wie eine Geisterstadt. Toll ist, dass man überall herein kann, alles anfassen darf und so ein wenig Pionier spielen kann. Das alte Kino gefällt uns am besten. Katrin verkauft die Karten für die großartigste Show auf Erden und ich mache die Buchhaltung. Bus-Zerfall-Update. Inzwischen geht die Zentralverriegelung an der Schiebetür nicht mehr und zwei Griffe von zwei Schränken sind abgefallen. Und irgendwie muss da ein Loch im Tank sein. Soooo oft müssen wir tanken. Ansonsten fahren wir was das Zeug hält, durch den Busch, die Steppe und an Salzseen vorbei. Das Kilometerfressen unterbrechen wir zum Vespern unter einem Baum voller Kakadus. Während wir drinnen gemütlich Tee kochen, krächzen die Vögel draußen dramatisch und bewerfen unseren Bus mit Zweigen, die sie vom Baum nagen. Wir finden's trotzdem schön, die weißen Freude scheinbar nicht. Als wir wieder aus dem Heck gekrabbelt kommen, hat einer der Vögel direkt auf Katrins Schuh... Also wirklich, Kakadu!
Heute überqueren wir die Grenze nach South Australia. Die Grenze ist nicht zu sehen, aber ein Schild informiert uns, dass wir kein Obst, Gemüse oder Vieh mitnehmen dürfen. Ansonsten kommen wir in den Genuss von frisch erhöhten Sofortstrafen. Warum das so ist, wird nicht erklärt. Wir vermuten unerwünschte Verbreitung von Schädlingen oder Krankheiten. Weil wir die leckeren, teuren Sachen aber gerade erst gekauft haben und die Grenze unseres Ermessens nach politisch und nicht geografisch ist, sind wir schrecklich uneinsichtig. Vieh haben wir zum Glück nicht dabei, der Rest wandert ganz unten in den Wäschebeutel. Das erscheint uns das originellste Versteck zu sein, falls wir kontrolliert werden. Kingston S. E. ist ein sehr kleiner und sehr seltsamer Ort. Die "Marine Promenade" ist breit, unglaublich ordentlich und es riecht ganz doll nach Schwefel. Wir wissen nicht so recht wo das herkommt und laufen mal über den Rasen zum Strand. Da wird es erst richtig komisch. Der Sand am Strand ist nur eine hauchdünne Schicht über einer dicken Schicht getrockneter Algen, die unterschiedlich viel nachgibt, wenn man drauftritt. Das ist unheimlich, weil man nie genau weiß, wie sehr man beim nächsten Schritt einsinkt. Vom Anlegesteg sehen wir dann, dass es überall aus dem flachen Meeresgrund blubbert. Entweder lagert eine kranke Riesenkrabbe da unten faulige Eier oder es kommt Gas aus dem Boden. In Kingston S. E. überachtet man aber eigentlich auch nur, weil es der einzige Ort ist, der nach stundenlanger Fahrt durch die Steppe kommt. Und danach kommt wieder ein paar Stunden nix. Nachdem wir den größten Laden im Ort und den Bäcker überprüft haben, beschließen wir, niemals hierher auszuwandern. Auch nicht wegen des Schwefelheilklimas.
Eigentlich hießen die Felsen im Meer "Säue und Ferkel". In den 60ern hat aber jemand vorgeschlagen, dass durch einen ehrwürdigeren Namen vielleicht ein paar Touristen angelockt werden könnten. Und so schauen nun Busladungen von Touristen auf die 12 Apostel, die eigentlich nur 7 sind. Es waren mal ein paar mehr, einige wurden vom Meer hinweggerafft und vom Helikopter aus kann man noch mehr Apostel sehen - aber 12 waren es nie. Lange bevor Surfen (auf dem Wasser, nicht im Netz) zum globalen Lifestyle wurde, standen die VW Busse der Wellenreiter in Torquay am Ufer und schauten den Meistern beim surfen zu. Rip Curl und Quicksilver wurden hier gegründet und verkaufen inzwischen ihre Surfklamotten in die ganze Welt. Die starken Wellen gibt's immernoch, inzwischen sind die bunten Busse am Strand Mietwagen der Touristen, die den Surfern zuschauen und locker easy Schlafen im Auto geht gar nicht mehr. Die Great Ocean Road ist in der Tat großartig, die Sicht allerdings eher beschränkt. Die Wald- und Buschbrände sind zwar recht weit weg, aber der Rauch vernebelt den Himmel, besonders am Horizont.
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