Addis Abeba An meinem letzten Tag in Äthiopien bin ich in der Hauptstadt zum Brunch verabredet. Lisa holt mich mit ihrem Rot-Kreuz-Wagen ab und gemeinsam mit zwei Freunden fahren wir ins Galani Café. Das schicke Café ist Treffpunkt für viele Expats der Stadt. Lisa arbeitet seit vier Jahren für das Österreichische Rote Kreuz in Äthiopien. Das Land erlebt die schlimmste Dürre seit 50 Jahren und es gibt viel zu tun. Es wird ein schöner und langer Mittag im Café, an dessen Ende wir noch einige Kontakdaten tauschen. Dabei fällt mir auf, wie schön der Kugelschreiber von Lisas Freundin schreibt. Ich bekomme ihn geschenkt und mache ihn sofort zu meinem "Immer-im-Rucksack-dabei-stift" oder kurz zu "the pen". Zuhause in Deutschland angekommen, finde ich fünf Ausfertigungen meines Dienstvertrages mit der Deutschen Botschaftsschule Teheran im Briefkasten. Der erste Einsatz von "the pen" wird also das Unterschreiben meiner Dienstverträge für die nächsten Jahre. Wenn das keine würdige Jungfernschrift ist. Gonder - Addis Abeba Der Flug von Gonder nach Addis ist nichts für schwache Nerven. Als wir gerade angerollt sind, werden beide Triebwerke der Propellermaschine recht plötzlich abgestellt. Danach geht die Lüftung und dann das Licht aus. Beide Piloten steigen aus und laufen um das Flugzeug. Ein Feuerwehrwagen rückt an und der Kapitän telefoniert. Die Tür zum Cockpit steht offen und man kann sehen, wie die Bordelektronik mehrfach neu gestartet wird. Nach einer Stunde meldet sich der Kapitän und teilt mit, dass es einen Feueralarm in einem Treibwerk gegeben hat und das man nun auf ein Ersatzflugzeug warten müsse. Auf dem Miniflugplatz Gonder sind wir das einzige Flugzeug weit und breit. Nach weiteren 90 Minuten in der stickigen Kabine, werden die Triebwerke wieder gestartet und wir starten kommentarlos zunächst nach Axum. Da wir bis dahin ja nicht abgebrannt sind, starten wir von dort aus auch gleich wieder weiter nach Addis Abeba. Gonder
Zusammen mit Jackie lasse ich mich in den Palast der Kaiserin Mentewab fahren. Der Palast ist schon etwas verlassen, verwunschen und zerbröckelt. Wir treffen die Kaiserin, ihren Sohn und ihren Enkel persönlich an. Sie liegen in einer Holzkiste mit Glasdeckel. In der Kirche des Palastes machen wir Bekanntschaft mit dem Priester, der zwar auch nicht mehr der Jüngste ist, aber noch lebendig genug, für ein kleines Trinkgeld die Vorhänge zu den Wandmalereien zu lüften. Die Gemälde sind eindeutig das Jüngste hier auf dem Gelände. 1992 steht rechts unten in der Ecke. Nach westlichem Kalender ist das das Jahr 2006.
1 Comment
Gonder - Simien Mountains - Gonder Eine große Herde Blutbrustpaviane zieht langsam grasend durch das Äthiopische Hochland. Ich sitze mit Jackie aus Toronto mitten zwischen den Primaten. Es ist Brunftzeit und die Brustflecken der männlichen Tiere sind blutrot. Nur hier in den Simien Mountains gibt es diese Tiere, die sich fast ausschließlich von Gras und Kräutern ernähren. Ihr Fell hat Ähnlichkeit mit den Grasbüscheln der Hochebene. Die Paviane haben keine große Scheu vor uns, wir werden nicht weiter beachtet. Es duftet stark nach Thymian, der hier überall wächst und etwas nach Wildrosen. Gemeinsam mit Jackie bin ich eigentlich zum Wandern in die Simien Montains gefahren. So richtig viel Zeit zum Laufen haben wir allerdings nicht. Auf der Hinfahrt ist unser Minibus mit Kühlerschaden liegengeblieben. Als uns dann nach langer Zeit ein anderes Auto mitnimmt, ist die Freude nur von kurzer Dauer. Nach etwa 20 Metern Fahrt haben wir eine Reifenpanne. Und dann sitzen wir viel zu lange in der grasenden Herde Paviane. Im Abendlicht schlender ich durch die Burganlagen in Gonder und danach treffe ich mich mit Jackie zum Essen im Touristenlokal, dem mit der kitschigen Folkloredekoration. Im Restaurant ist eine ganze Gruppe belgischer Familien mit ihren adoptierten äthiopischen Kindern. Sie sind hier, um den Kindern ihre Wurzeln zu zeigen und um die Verbindung zu ihrer Heimat nicht ganz abreißen zu lassen. Als eine Schultertanzperformance startet, hält es die äthiopisch-belgischen Mädchen nicht lange auf den Stühlen und irgendwann machen auch die Eltern mit und zucken und zappeln zu Trommeln und wildem Geschrei durch das Lokal.
Lalibela - Gonder Heute ersetze ich einen weiteren Tag im Bus durch einen 25 Minuten langen Flug. Wenn man die Kosten der ganzen Kaffepausen der Busfahrt mitkalkuliert, ist der Flug gar nicht wirklich teurer. Die Kapitänin lässt es sich nicht nehmen, sich in den drei Minuten zwischen Steig- und Sinkflug aus dem Cockpit zu melden, etwas über die Flugroute zu erzählen, das Wetter am Zielort zu erläutern und die Ankunftszeit in Gonder zu verkünden. In Gonder treffe ich im Hotel zufällig zwei Bekannte von der Vulkantour vor ein paar Tagen wieder und wir verquatschen den halben Nachmittag. Abends im Restaurant lerne ich Stephane aus Quebec kennen. Er arbeitet für die kanadische Botschaft in Kairo und hat bis vor ein paar Jahren in der kanadischen Botschaft in Teheran gearbeitet. Das gesamte Botschaftspersonal wurde damals innerhalb kürzester Zeit aus Teheran abgezogen und sein Auto und seine persönlichen Sachen sind immer noch dort. Es zeichnet sich bereits ab, dass die Botschaft in Teheran bald wieder geöffnet wird und Stephane wieder für drei Jahre dorthin zieht. Dann wohnen wir vielleicht demnächst im gleichen Stadtviertel, wer weiß :-).
Lalibela Die abgefahrendste Art eine Kirche zu bauen? Von einem Felsen einfach alles wegmeißeln, was nicht nach Kirche aussieht. In Lalibela sind nach diesem Prinzip um das Jahr 1250 eine ganze Menge Felsenkirchen entstanden, die heute noch aktive Orte des Glaubens sind. Es ist eine eigenartige Vorstellung, durch eine Kirche zu laufen, die nicht gebaut, sondern von überflüssigem Fels befreit wurde. Meine persönliche philosophische Interpretation dieser Bauweise: In jedem Ding und jedem Menschen stecken unerwartete Möglichkeiten, man muss sie sich nur vorstellen können und herausarbeiten. Amen. Begleitet von Gesängen, die aus allen Kirchengruben schallen, laufe ich durch die Gänge, Schächte und Innenräume der Felsenkirchen. Ein Priester zeigt mir zwei Mumien, die in einer Felsnische liegen. Bevor ich über den Markt schlender, möchte ich an einem kleinen Stand eine äthiopische Brause kaufen. Der Preis der mir zuerst genannt wird, ist so lustig, dass ich mich gar nicht mehr einkriege. Ich versuche dem Verkäufer zu erklären, dass auch in Europa niemand eine Flasche Brause für über 8,- € kaufen würde. Im Restaurant kostet ein Softdrink hier ungefähr 0,35 €. Auch wenn er alle deutschen Fußballvereine kennt, bleibe ich dabei, dass das wirklich zu teuer ist. Um sein Gesicht und mein Geld nicht zu verlieren, einigen wir uns irgendwann darauf, dass ich lieber eine Cola für 0,35 € kaufe. Am Abend habe ich wahnsinnig Hunger, ich habe tagsüber vergessen zu essen. Die ganzen letzten Tage habe ich recht einfach gegessen, heute Abend möchte ich's mal richtig krachen lassen und deshalb lasse mich ins beste Restaurant im Ort fahren. Genau als ich aus dem Tuk-Tuk steige, öffnet der Himmel seine Schleusen (und den Windkanal), ich werde auf den wenigen Metern zum Eingang klatschnass. Als ich mich gerade gesetzt habe, gehen im Restaurant die Lichter aus. Stromausfall. Ich bin der einzige Gast und wann es wieder Strom gibt, ist unklar. Die Küche bleibt kalt. Ich vertiefe mich mit dem Rezeptionist Melka in ein langes Gespräch über Gott, die Welt und die Philosophie und genieße Mirinda und Brot am Tresen.
Mekele - Lalibela Gestern Abend habe ich nach den drei Vulkan- und Wüstentagen die Dusche sehr ausgedehnt genossen und mich danach ins Bett gelegt, in etwa wie ein Seestern und ohne Decke. Ein paar Stunden später bin ich wieder wach, weil ich nun auch so genoppte Haut habe wie ein Seestern. Ich bin an allen Armen und Beinen so übertrieben zerstochen, dass die Moskitos, bestimmt schon vor lauter Blutdruck geplatzt sind. Und ich dachte es gibt hier am Rande der Wüste gar keine Mücken. Ich hole also die Chemiekeule und zerstäube den halben Flascheninhalt. Danach wickel ich mich in das Bettuch ein, so dass nur noch die Nase rausschaut. Kurz nach 5:00 Uhr stolper ich hastig aus dem Hotel. Spät dran. Noch schnell am Geldautomat vor dem Hotel den Bargeldvorrat aufstocken. Aber der Automat hat andere Pläne. Meine Kreditkarte nimmt er bereitwillig an, dann spielt er Eiszeit und friert den Bildschirm ein. Keine der Tasten ändert irgendwas an der Situation. Es dauert ganz schön lange, bis ich den Automaten aus seiner Nische gezerrt habe. Wenn mich jetzt jemand sieht... Hinter dem Automat finde ich was ich suche - den Stecker. Ausstöpseln, einstöpseln, warten. Beeep, brrrrrrrrrrr, sssst, klack, da ist meine Karte wieder. Juhu. Ich bin sogar so nett und wuchte den Geldkasten wieder zurück an seinen Platz und hoffe, dass er keinen Erschütterungsalarm hat. Ich komme gerade noch rechtzeitig zum Busterminal um den letzten Sitzplatz im Bus nach Woldia zu ergattern. Die Fahrt wird 6 Stunden dauern und dann noch einmal 7 Stunden bis Lalibela. Die Sitzreihen im Bus sind so eng, dass es schon für die kleinen Äthiopier recht unbequem ist. Dass es 5 Sitze in jeder Reihe sind, macht die Sache auch nicht besser und die füllige Dame neben mir hat ihren Blechschüsselschatz in einer superprallen Tüte auf dem Schoß. Mir bleibt knapp die Hälfte meines Sitzes und meine Beine sind irgendwo in unmöglichen Winkeln unter dem Gepäck im Gang verklemmt. Bewegen unmöglich. Ich denke Stehen wäre angenehmer, dass geht aber aus Platzmangel nicht. Umglaublicherweise kann ich die Fahrtzeit als Arbeitszeit nutzen. Ich schreibe einige wichtige Mails, bereite ein Projekt vor, höre Musik und chatte mit Freunden und gratuliere einer Schülerin zum Geburtstag. Der zweite Bus ist noch viel enger und kleiner. Als ich einsteige, sind schon alle Plätze belegt. Der Fahrkartenverkäufer verscheucht eine junge Damen von der letzten Reihe und platziert sie auf dem Motorblock neben dem Fahrer. Ich soll mich auf den freien Platz setzen. Ich protestiere wehement und möchte auf keine Fall, dass die Dame wegen mir die ganze Fahrt ohne Lehne und ohne Fußraum auf dem Motor sitzen soll. Keine Chance, alle Insassen inklusive der zwangsversetzten Dame sind sich sicher, dass das so sein muss. Es ist mir wahnsinnig unangenehm, aber tatsächlich ist der Mittelsitz in der letzten Reihe der einzige Platz an dem ich meine Beine unterbringen kann. Die Reihe vor mir kann nun meine Oberschenkel als Armlehne benutzen. Als der Ticketverkäufer zum Kassieren kommt, zahle ich den gleichen Betrag wie die Einheimischen.
Zwei Stunden vor dem Ziel wird es etwas leerer im Bus. Das Mädchen neben mir ist vielleicht 12, reist ganz alleine und muss sich ständig übergeben. Es ist eine Straße, die nur mit Allradfahrzeugen befahrbar ist - und offensichtlich mit unserem ungefederten Bus. Ich versuche sie mit ein paar Grimassen aufzumuntern. Funktioniert nicht. Eine Unterhaltung kommt auch nicht zustande. Das winzige durchsichtige rosa Tütchen ist schon so voll, dass ich erkennen kann, dass sie abwägt ob ein erneuter Schwall da überhaupt noch rein passen würde. Ich zaubere den Zipfel eines Gelben Sacks aus meinem Rucksack und gebe ihr zu verstehen, dass sie sich jetzt keine Sorgen über die Füllkapazität mehr machen machen muss. Ich ziehe übertrieben dramatisch den gigantischen Beutel Stück für Stück aus dem Rucksack und tue dabei so, als ob ich selbst nicht fassen kann wie riesig der Gelbe Sack ist. Jetzt muss sie doch lachen. Sie bekommt den Plastiksack und ich lege noch einen Halsbonbon drauf und behaupte, der sei superheilsam für den Magen. Den Rest der Fahrt schauen wir Fotos auf meinem Handy an, spielen Tic-Tac-Toe und den gelben Sack hat sie gar nicht mehr benutzt. Asale See - Mekele Kurz bevor die Sonne aufgeht, weckt uns ein Esel mit seinem unmelodischen Ruf. Ein paar Kinder rennen um unser Nachtlager herum und sind sehr interessiert. Die vier Soldaten von gestern spielen mit den Kindern, solange sie auf uns warten. Wir befinden uns an der tiefsten Stelle Afrikas, der Danakil Depression, 125 m unter dem Meeresspiegel, gleichzeitig ist es der heißeste Ort der Welt. An dieser Stelle treffen drei Kontinentalplatten aufeinander, die afrikanische, die eurasische und die indische. Geologisch ist also einiges geboten. Die Farben an den Schwefelquellen sind wie nicht von dieser Welt. Giftgrüne Flüssigkeit blubbert, umrandet von neongelben Schwefelablagerungen, in rostbrauner Umgebung. Alles inmitten der Salzwüste, die an manchen Stellen schneeweiß, an anderen Stellen sandig-braun ist. An einer Stelle der Salzwüste sprudeln übelriechende Gase durch braunes und giftiges Wasser. Die Vögel, die sich hierher verirren und vom braunen Wasser trinken, sterben sofort. Um den ganzen See herum liegen kleine und große tote Vögel. Wir sehen einen hübschen gelben Vogel herumflattern - eine Minute später liegt er auf dem Rücken. Auf der Fahrt durch den Salzsee kommen uns wieder Salzkarawanen entgegen. Die Arbeiter, die die Salzblöcke aus den trockenen Stellen des Sees herausbrechen, arbeiten unglaublich hart an dieser, wie gesagt, heißesten Stelle des Planeten. Von 5:00 Uhr morgens bis 18:00 Uhr abends bearbeiten sie das weiße Gold. Schatten, Trinkwasser oder Toiletten gibt es hier nirgendwo. Bis zu ihrem Wohnort sind es drei Stunden Fußweg. Ein solcher Tag Knochenarbeit bringt Ihnen einen Verdienst von ungefähr 4,00 € ein.
Auf der Rückfahrt geht uns zweimal der Sprit aus. Wir schaffen es trotzdem noch bei Tageslicht zurück nach Mekele und dann trennen sich unsere Wege wieder. Erta Ale Vulkan - Asale See Heute ist Fahrtag. Zuerst geht es wieder über Lavafelder, Stein- und Sandwüsten, bis wir mittags eine Straße erreichen. Unterwegs sind zwei Bergführer ausgestiegen, die wir mitgenommen haben. Mitten in der Wüste, an einer Stelle an der keine Anzeichen menschlichen Lebens zu entdecken waren. Hier sind sie zuhause. Wir sind auf dem Weg zu eine Asale Salzsee. Es ist ein langer aber schöner Weg durch die Berge an kleinen Ortschaften vorbei. Am Abend muss wieder mit dem Dorfoberhaupt verhandelt werden. Diesmal bekommen wir vier Soldaten als Begleitung für unsere achtköpfige Gruppe. Der Salzsee ist nur wenige Kilometer von der eritreischen Grenze entfernt und es herrscht kalter Krieg. Auf dem Weg zum See passieren wir unzählige Salzkarawanen. Hunderte Kamele, beladen mit Salzblöcken auf dem Weg nach Mekele. Acht Tage und Nächte werden sie unterwegs sein. Kurz vor Sonnenuntergang haben die Soldaten viel Spaß am Ufer und posieren gegenseitig mit ihren Gewehren und produzieren reichlich Selfies. Die Nacht verbringen wir auf Pritschen im Freien. Der Generator des 500 Einwohner Dorfes läuft noch eine Weile, dann ist es ganz still und der Mond scheint auf die Hütten aus Ästen, Bast und Plastikplanen.
In einem kleinen Café treffe ich Lisa, die seit vier Jahren in Äthiopien arbeitet, ihren Bruder Bernd, der in England arbeitet und Tookka aus Finland. Wir werden die nächsten Tage gemeinsam in der Danakil Senke unterwegs sein. Das erste Ziel heißt Erta Ale Vulkan. Die Fahrt dorthin dauert den ganzen Tag. Unser Fahrer ist ein wahrer Künstler seines Fachs und steuert den Landrover stundenlang gekonnt, wenn auch nicht komfortabel, durch Sanddünen, über Schotterpisten, durch und über mannshohe Pflanzen und die letzten drei Stunden brauchen wir um 20 Kilometer Lavafelder zu überwinden. Unterwegs machen wir an einer kleinen Siedlung Halt. Es muss mit dem Dorfoberhaupt verhandelt werden, wie viel wir für eine sichere Weiterfahrt bezahlen müssen. Die Verhandlungen führt Gere, der sich auch noch um einen zweiten Wagen mit weiteren vier Touristen kümmert. Wir bekommen zur Sicherheit einen alten Mann mit Gewehr zur Seite gestellt. Der Vulkan befindet sich im Grenzgebiet zu Eritrea. Tagsüber ist es unerbittlich heiß, so dass ein Aufstieg zum Vulkan nur nachts möglich ist. Ganz genauso verhält es sich mit dem Abstieg. Gleich nach Sonnenuntergang laufen wir los. Der Weg ist nicht steil, der Erta Ale ist ein Schildvulkan. Einer von der Sorte die langsam überkocht und sich nicht den Kopf wegsprengt, wie etwas der Etna. Nach den ersten zwei Stunden Aufstieg geht der Mond auf, während wir schweigend über Lavafelder steigen. Ein paar Skorpione kreuzen unseren Weg und bis auf den Wind ist nichts zu hören. Nach drei Stunden stehen wir am Rand der Caldera. Weiter unten leuchtet der feurige Schlund des Vulkans. Ich kann es gar nicht fassen, dass man wirklich direkt bis zur brodelnden Lava hinuntersteigen kann. Jeder Schritt knirscht, die Lava zerkrümelt und bricht unter den Schuhen wie eine Zuckerkruste. Der Boden ist übersät mit harten, haarähnlichen Büscheln. Es ist Fiberglas, dass sich durch die Vulkandämpfe gebildet hat. Die Schwefeldämpfe beißen in der Lunge und heiß sind sie außerdem. Als wir dann direkt am Rand des Kraters stehen, ist das alles egal. Die glühende Magma ist nur etwa drei, vier Meter unter uns. An den Stellen an denen das flüssige Gestein blubbert spritzen glühende Brocken bis auf unsere Höhe hinauf. Es ist schaurig und schön, so faszinierend, dass niemand den Blick abwenden kann, auch wenn es sich anfühlt als ob einem das Gesicht wegbrennt, wenn der Wind ungünstig dreht. Der ganze Lavasee ist in Bewegung immer wieder reißt die Haut an den erkalteten Stellen auf und es brodelt grell glühend in die Nacht. Es ist als ob man von hier aus direkt ins Innere der Erde schauen kann - unerhört aufregend. Ein Kamel hat für uns dünne Matratzen den Berg hochgetragen und wir betten uns unter dem Sternenhimmel für die nächsten drei Stunden zum Schlafen. Um 3:30 Uhr beginnen wir mit dem Abstieg.
Addis Abeba - Mekele Um zwei Tage Busfahrt zu sparen, sitze ich im Flugzeug nach Mekele. Auf dem Vorfeld des Internationalen Flughafens Addis Abeba rollen wir an einer Maschine der United Nations vorbei. Es gibt arme Länder die Flüchtlinge aufnehmen, obwohl sie selbst auf Hilfe angewiesen sind. 10.000.000 Menschen in Äthiopien sind abhängig von Nahrungsmittelhilfen, trotzdem haben 800.000 Flüchtlinge aus dem Südsudan, aus Somalia und aus Eritrea Zuflucht in Äthiopien gefunden. Auf dem Markt in Mekele und in den Straßen gibt es alles, wenn man nur lange genug sucht. Ich komplettiere meine Reiseausstattung. Diesmal habe ich nämlich gleich drei Sachen zuhause vergessen: Kopfhörer (geht gar nicht), Taschenlampe (sollte ich haben für die 15 Kilometer Nachtmarsch zum Vulkan) und die Sonnenbrille (wäre ganz gut in der Wüste). Während ich Kopfhörer schon in Frankfurt am Flughafen besorgt habe, finde ich hier eine super Solarakkutaschenlampe und die vermutlich billigste Sonnenbrille der Welt. Obwohl meine Spiegelreflexkamera billiger als mein iPhone war, erregt sie überproportional mehr Aufsehen. Sobald ich die Kamera auspacke, ruft es von irgendwo: „Faranji!" (Ausländer) und ich stehe im Mittelpunkt. Bisher habe ich deshalb so gut wie alle Fotos mit dem Handy gemacht. Das fällt nicht auf, weil Smartphones in Äthiopien weit verbreitet sind. Sie bedeuten für die Menschen hier einen weitaus größeren Fortschritt als für uns. Für viele ist es erst seit der Verbreitung mobiler Geräte möglich, einfach und günstig mit entfernten Teilen ihrer Familie zu kommunizieren, Fotos zu machen, zu teilen und vor allem Bankgeschäfte zu tätigen. Afrika ist weltweiter Spitzenreiter im mobilen Banking. Menschen ohne Konto, ohne Briefkasten, ohne Festnetzanschluss und ohne Computer können plötzlich Geld versenden, Geld empfangen oder Mikrokredite aufnehmen. Das erklärt auch, warum es in Afrika inzwischen mehr Menschen mit Handys gibt, als Menschen mit Zugang zu Trinkwasser. Trotzdem erregen Smartphones in den Händen von Flüchtlingen bei uns oft die gleiche Aufmerksamkeit, wie meine Kamera hier.
Addis Abeba Der Dreamliner (Boing 787) von Ethiopian Airways ist das erste Flugzeug bei dem ich entspannt aus dem Fenster schauen kann, ohne meinen Hals einknicken zu müssen. Supergroße Fenster. Leider gibt es draußen gar nichts zu sehen, Nachtflug. Dafür gibt es drinnen viel zu hören. Von Gerhard, meinem Sitznachbar. Gerhard ist 66 und hat ein Hörgerät, dass er mit seiner lauten Stimme zu kompensieren versucht. Noch bevor wir abheben, hab ich eigentlich schon genug gehört. Die vermeintliche dunkelhäutige Enkelin auf seinem Handy entpuppt sich als seine Freundin. Ich möchte es gar nicht so genau wissen, Gerhard will es aber ganz genau und laut erzählen. Hinter uns sitzen zwei junge Äthiopierinnen und Gerhard muss jetzt auch noch seine geschmacklosen Videos auf seinem Handy zeigen. Ich versuche demonstrativ zu schlafen und Gerhard findet ein neues Unterhaltungsopfer. Irgendwann mitten in der Nacht weckt er mich aber ernsthaft, um mir noch ein Video zu zeigen. Ein Hund, der komisch bellt. Es ist so dermaßen unlustig, dass ich Gerhard am liebsten aus dem schönen großen Fenster werfen möchte. Das wäre lustiger. In Äthiopien gehen die Uhren anders. Das ist wörtlich gemeint. Wenn die Sonne aufgeht, beginnt der Tag mit 0:00 Uhr. Wenn die Sonne seit einer Stunde scheint, ist es also 1:00 Uhr. Genau um 12:00 Uhr geht die Sonne dann unter und dann beginnt die Nacht mit 0:00 Uhr. Eine Stunde nach Sonnenuntergang, ist es also 1:00 Uhr nachts. Das ist nicht unlogischer als unsere Zeitrechnung, aber schon gewöhnungsbedürftig. Das Jahr hat in Äthiopien 13 Monate. 12 davon mit 30 Tagen und einen mit 5 oder 6 Tagen. Und bei den Jahreszahlen hinkt der Äthiopische Kalender unserem Gregorianischen Kalender um mehr als 7 Jahre hinterher... Die Ziel für heute klang eigentlich ganz harmlos: Den Weitertransport zum Erta Ale Vulkan organisieren. So einfach war es dann doch nicht. Um 21:30 Uhr hab ich endlich die Flugtickets nach Mekele in der Hand und auch die Fahrt von dort zum Vulkan ist organisiert. Dafür war ich heute vier mal beim Geldautomaten, bin drei mal Straßenbahn gefahren, einmal quer durch den Slum gelaufen und hab einen Taxifahrer um ein Haar in den Wahnsinn getrieben. Der Gute konnte kein Wort Englisch, ich auch nicht viel mehr Amharisch, trotzdem musste er ja wissen in welcher Reihenfolge ich wo hin will und wie ich mir das mit dem Preis vorstelle. Ohne Humor und Smartphones hätte das auch ganz schön stressig werden können.
Ä-thio-pien. Meine Schüler können sich den Ländernamen nicht so einfach merken. Ist auch schwierig. Ich flieg trotzdem hin. Heute Abend bringt mich Ethiopian Airlines in die Hauptstadt Addis Abeba. Viel mehr habe ich noch nicht geplant... :-)
|