Nicht gut. Katrin geht's gar nicht gut. Grippe und Fieber versuchen wir mit Pillen vom German Doctor in den Griff zu bekommen. Das klappt nicht, dafür gib's lauter rote Punkte auf der ganzen Katrin. Das sieht lustig aus, ist es aber nicht. Der nächste Arzt, will Katrin lieber im Krankenhaus sehen. Hier müssen wir die Krankengeschichte so oft, so vielen Leuten erzählen, dass wir uns wie die Warteschleife vorkommen. Das Severance Hospital in Seoul ist ganz famos. Im Terminal für International Health Care, gibt es extra einen Schalter für Medical Tourism und einen für reiche Russen, die sich hier gegen Krebs oder schiefe Nasen behandeln lassen. Katrin bekommt das Zimmer 0815, was eine recht unpassende Nummer für die VIP Suite ist, die uns erwartet. Ein großes Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, Küche und zwei Bäder, dazu Essen vom allerfeinsten. Alles stark beeindruckend, aber leider für die Katz, wenn es einem mies geht. Alle Ärzte sind wahnsinnig nett, haben viel Zeit und fahren an Untersuchungen alles auf, was die Medizin aktuell so zu bieten hat. Am Abend weiß man immer noch nichts Genaues. Es ist auf jeden Fall schon mal eine Infektion. Was genau und was vielleicht noch dazu kommt weiß man nicht. Die üblichen Tropenverdächtigen (Malaria, Dengue und so weiter) sind es schon mal nicht. Während die Ärzte mit Auswerten und Behandeln beschäftigt sind, kümmert sich Hello Schmitty, die rosa Katze, sehr gut um Katrin. Und ich bin ja auch noch da.
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Lotte baut in Korea einfach die besten Shopping Malls. Und bei Lotte World haben sie noch eins drauf gelegt. In einer richtig großen Halle, gibt's neben Eislaufbahn und 3D Kinos, jedes erdenkliche Fahrgeschäft. Draußen geht's weiter: Über eine Brücke gelangt man zu einer Insel, auf der ein Märchenschloss steht, mit ganz vielen Achterbahnen und so drumherum. Moment mal, das erinnert mich doch an irgendwas. Gleich hab ich's. Mhhh, ich komm nicht drauf. Na ja, egal. Jedenfalls gibt es zwei Mäuse - Lotte und Lotty - und abends eine richtige Parade, mit allen Figuren aus dem Themenpark. Die richtig harten Sachen erkennt man am persönlichen "vomiting shield". (Auf Deutsch klingt das sehr unappetitlich.) Man bleibt damit trocken, wenn dem Nachbarn schlecht wird. Der Freefalltower heißt irgendwas mit Twistblabla. Die Schlange war viel zu kurz, um erst zuzuschauen was genau passiert. Auf der Fahrt nach oben wird man gemütlich gedreht, aber irgendwie hört der Turm gar nicht auf. Mensch, ist das weit oben. Oben wird gestoppt und ich warte darauf, dass man uns jetzt an Seilen schnell nach unten sausen lassen wird. Aber statt surrenden Seilen, hört man ein markantes KLACK. Dann geräuschloses, schwereloses Fallen. Bis hierhin fühlt es sich schrecklich gut an. Ich gehe schnell alle technischen Möglichkeiten durch, wie denn die Fahrt jetzt jemals wieder gebremst wird. Der Fahrkorb wurde ja hörbar wirklich fallengelassen. Nicht so an Seilen, wie man das kennt. Ich komme nicht weit mit den Überlegungen, denn jetzt wird es mehr als schwerelos. Die Sicherungsbügel ziehen meinen Körper erheblich schneller nach unten als er fallen will. Es schreit immernoch keiner. Der Boden kommt näher und die Gondel überlegt es sich im letzten Moment anders und staucht mich jetzt von unten. Ahhhhhhh!. So, jetzt bin ich vermutlich auch die geforderten 4 Zentimeter geschrumpft und muss mich bei den nächsten Attraktionen nicht immer so verbiegen bei der Höhenkontrolle.
Man kennt das ja. Verliebte Pärchen kaufen sich ein Schloss, schreiben ihre Namen drauf, klicken es an ein Brückengeländer und werfen den Schlüssel ins Wasser. In Seoul ist der Fluss nicht so wahnsinnig attraktiv, der Fernsehturm aber schon. Dort, wo vermutlich ein Geländer ist, sieht man nur noch einen dicken Wulst an Schlössern, gut einen halben Meter dick. Weil am Geländer nichts mehr geht, wurden künstliche Bäume aufgestellt. Auch die sind schon voll mit Schlössern. Das Kunstherz mit den Liebestexten, darf aber auf keinen Fall mit Schlössern belästigt werden. Ganz streng verboten. Dickes Schild! Drinnen hängen schon die ersten Schlosstrauben von Liebenden mit krimineller Energie. Verbotene Liebe. Gangnam ist ein Stadtteil Seouls. Leider hopst hier keiner so lustig durch die Gegend wie bei Psy. Schade.
Im Tempel der Jogye Sekte ist gerade Messe oder Zeremonie. Man weiß es nicht so genau. So sieht das aus: Der Haupttempel ist bis auf den letzten Platz voll mit Seniorinnen. Alle knien auf Kissen, auf einer Leinwand und auf mehreren Displays erscheint ein Text nach dem anderen. Jemand liest alles vor. Die Damen stehen auf und knien sich wieder hin, stehen auf, knien sich hin, aufstehen, hinknien, aufstehen, hinknien, aufstehen, hinknien, aufstehen, hinknien, aufstehen, hinknien, aufstehen, hinknien, stehen, knien, stehen, knien, ... (Allein das zu lesen ist anstrengend, stimmt's?) Zeit, sich die anderen Attraktionen anzusehen. Da wäre ein Bildschirmbuddha, der vermutlich für die Gebetskaraoke im Freien gedacht ist. Oder er befiehlt: Aufstehen, hinknien, aufstehen, hinknien, ..." Es gibt auch noch zwei Pagoden, die man aber kaum sieht, weil so viele Laternen drumherum hängen. Um diese Pagoden muss man so oft wie möglich betend herumgehen. Kommt ein Mönch vorbei, muss man sich tiefer hinknien - nein verbeugen - als es der Mönch tut. Hinter dem Tempel sind zwei arme Sünder, die die nächsten 100.000 Laternen aufbauen müssen. So, Zeit noch mal im Haupttempel nachzuschauen, was sich so tut. Aufstehen, hinknien, aufstehen, hinknien, ... Südkorea hat nur ein einziges Nachbarland. Nämlich das fortschrittlichste und glücklichste Land der Erde, von dem sich die ganze Welt abgeschottet hat. Oder das befremdlichste Land der Erde mit dem durchgedrehtesten Anführer, das sich von der Außenwelt abgeschirmt hat. Ansichtssache. In Seoul ist man jedenfalls vorbereitet und in jeder U-Bahn Station gibt es Glasschränke mit Gasmasken, wahlweise für Nuklearangriffe, Einsatz von chemischen Waffen oder einfach nur Feuer. Damit man in Übung bleibt, zeigen die Monitore in den Stationen, wie man die Dinger anlegt und dass man niemals rennt. Niemals. Weil das so furchtbar ernst rüberkommt, werden zur Auflockerung zwischendurch die anderen Verbote visualisiert. In der U-Bahn ist neben Essen und Stinken auch Küssen, Anfassen und Schlafen verboten. Ob man sich hinknien darf?
Palast der strahlenden Glückseligkeit oder Gyeongbokgnung, heißt die prächtige Anlage in Seoul, in der man nach jedem Tor, in einen Innenhof mit weiteren Toren und weiteren Innenhöfen gelangt. Strahlen tun vor allem die glückseligen, kamerabewaffneten Besucher, die den schick kostümierten Wachen fast auf die Füße stehen, beim Fotografieren und fotografiert werden. Wer genauso schön bunt aussehen möchte, kann sich vor dem Palast verkleiden lassen. Ein bisschen peinlich ist das schon. Deshalb lässt man lieber seine Kinder in bunte Kostüme stecken und stellt sie dann vor jedes Tor und jede Treppe, um die strahlende Glückseligkeit für immer in Pixeln zu bannen. Um Grundschulen herum wurden in Seoul "Green Food Zones" eingerichtet. Es darf in einem Umkreis von 200 Metern kein ungesundes Essen verkauft werden. Zu den verbannten Nahrungsmitteln zählen, neben den üblichen Fastfood Verdächtigen, auch Backwaren, Milch und Obstsäfte. Knallhart. In den 1960er Jahren wuchs Seoul so schnell, dass für die steigenden Verkehrsbedürfnisse ein Fluss mitten in der Stadt einfach zugedeckelt wurde und eine Stadtautobahn darauf gebaut wurde. Im Jahr 2000 hatte Seoul dann eine der schlechtesten Luftqualitäten überhaupt und Öko lag plötzlich im Trend. Also hat man 2005 die Autobahn wieder abgerissen und den Fluss schön ausgebuddelt. Weil inzwischen kein Wasser mehr das ehemalige Flussbett entlang fließt, hat man kurzerhand künstlich Wasser herangeschafft, dem Fluss ein ordentliches Bett gebaut und ihn zur allgemeinen Erquickung, für knapp sechs Kilometer reanimiert. So richtig öko ist das nicht, aber was soll's. Neue Mitte.
Zest Air gehört dem O-Saft Imperium Zest-O-Juice. Die verstehen was vom Auspressen. Orangen oder Fluggäste mit langen Beinen, ganz egal. Ich sitze nicht, ich stecke in Reihe 16. Von Sitzabstand zu sprechen wäre übertreiben. Die Dame vor mir tut mir jetzt schon leid, da sie ihren Sitz nicht nach hinten bewegen können wird. (Da wusste ich noch nicht, dass sich die Sitze sowieso nicht verstellen lassen.) Auch die Stewardess hat Mitleid und setzt mich an den Notausgang. Also kann das Blut auch unterhalb der Knie wieder zirkulieren. Hurra. Die Sitze sind ein schönes Beispiel eines rechten Winkels. Wegen der ultrakurzen Sitzfläche kann man aber nicht von aufrechtem Sitzen reden, sondern eher von Abstützen. Wir haben für den Flug von Manila (Philippinen) nach Seoul (Korea) nicht mehr als für eine Kiste O-Saft gezahlt, weshalb wir auch keine Ansprüche stellen. Leider hat Zest Air auch irgendwo zu wenig Ansprüche gestellt und deshalb wird ihr einige Tage nachdem wir die Tickets gekauft haben, die Betriebserlaubnis entzogen. Noch ein paar Tage später folgt dann die Pleite und kurz darauf die Umbenennung und der Relaunch als Air Aisa Zest. Bei dem ganzen Hin- und Her, hat sich auch die planmäßige Abflugzeit verschoben. Wir bekommen keine neuen Reisedokumente aber eine Email, in der steht: Your new flight details: Departure Manila MNL: 2:40 h Arrival Seoul ICN: 07:40 h Departure date: 15th onwards Wir sind pünklich am 15. mitten in der Nacht am Flughafen und wollen eincheken, als uns eröffnet wird, dass wir drei Tage zu früh antanzen. Richtig, vorher habe ich noch eine alte Notiz weggeworfen, da stand irgendwas vom 18. Und tatsächlich, in der Mail steht unter dem 15. "onwards". Also nicht am 15. sondern ab 15. Kleines Wort, großer Unterschied. Die Airline hat Glück, denn der Flug ist nicht ausgebucht, also kann man uns ganz ungeniert eine Umbuchung für den fünffachen Ticketpreis anbieten. Aber nicht mit uns. Wir sind auf keinen Fall schuld und verlangen sofort den Chef persönlich zu sprechen, lassen unsere Beziehungen spielen und geben keine Ruhe, bis eine einstweilige Verfügung gegen irreführende Emails und unverhältnismäßige Umbuchungszuschläge durchgesetzt ist und wir mit einem kostenlosen Upgrade in die First Class, plus einer dicken Entschädigung erhobenen Hauptes die Schalterhalle verlassen. Oder haben wir doch die teure Umbuchungsgebühr gezahlt? Ich weiß es nicht mehr. Verdrängt. :-) In Süd Korea anzukommen ist ein bisschen wie Zeitreisen. Alles ist so selbstverständliche hypertechnisiert, dass wir uns total veraltet vorkommen. Wir beziehen das Apartment von MJ, der uns eine Einführung in die Haustechnik gibt. Die für ihn selbstverständlichen Gimmicks lässt er dabei aus. Und so müssen wir uns mit Google Translate später mühsam die Bedienung des Toilettenterminals erarbeiten. Da man dabei die Schriftzeichen von Hand auf den Bildschirm zeichnet, können wir inzwischen schon mindestens die ersten 15 Zeichen der Koreanischen Sprache. Und wie man vom Apartment Control Center aus den Lift ruft, haben wir auch drauf. Unser Minipenthouse ist direkt unter dem Hubschrauberlandeplatz und man muss sich ganz schön den Kopf verdrehen um bis runter auf die Straße schauen zu können. Beim ersten Einkauf stellen wir fest, dass wir hier mit Englisch nicht weit kommen. Also wieder Google bemühen. Von Englisch nach Koreanisch funktioniert das auch ganz gut. Nur zur Übung übersetzen wir uns Zuhause die ganze Milchpackung. Unerhört, was für schlimme Sachen da drauf stehen. Tssss.
Auf dem American Memorial Cemetery Manila stehen 36.000 weiße Kreuze. Jedes für einen im Zweiten Weltkrieg gefallen amerikanischen Soldaten. Auf großen Karten sind die militärischen Operationen der Amerikaner aufgezeichnet. Da kann einem ganz schwindelig werden. So viel Krieg auf einer Welt. Heute ist es so heiß in der Stadt, dass wir die Kühle des Museums suchen. Nebenbei lernen wir, wie der christliche Glaube auf die Inseln gekommen ist und wir lernen eine weitere interessante Bestattungsvariante kennen. Statt die Knochen der Ahnen in einem Reissack zu lagern, haben einige Volksstämme die Knochen ihrer Vorfahren schön bemalt und in Tonkrüge gelegt, die dann mit Tonköpfen verschlossen wurden. Die Tonköpfe sehen etwas verstörend aus und haben viel zu kleine Gesichter. Wohnen mit Meerblick ist oft schön, aber teuer. In der Manila Bucht ist es genau umgekehrt. Wohnen auf den Steinen des Ufers tun nur die, die es im Slum zu keiner eigenen Behausung geschafft haben. Auf den Steinblöcken sind Planen gespannt, unter denen geschlafen wird. Müll steckt zwischen den Steinen und es riecht übel. Am Abend wird gekocht, Haare werden geschnitten und Kinder fangen kleine Krebse, mit denen sie Krebsrennen veranstalten. Zwei Jungen bewundern und zupfen meine Haare auf den Armen, weil Filipinos keine Armhaare haben. Und natürlich fragen sie nach Essen. Als wir durch den Rizal Park schlendern kaufe ich eine Cola am Straßenstand. Ich zahle die 50 Peso passend. Wir bummeln weiter. Nach einer ganzen Weile kommt eine Polizist auf seinem Moped angedüst und stoppt uns: "You forgot money." Wir sind etwas verwirrt, haben wir vergessen Eintritt zu zahlen? Wir werden zu seinem Kollegen eskortiert, bei dem die Cola Verkäuferin wartet und uns Geld entgegenstreckt. "You forgot money! 15 Peso, not 50 Peso!" Da sind wir schon ganz schön platt.
Der Mount Taal ist ein aktiver Vulkan mit Kratersee, der in einem Kratersee eines Riesenvulkans steht. Um ihn zu besteigen, muss man also zuerst mit dem Boot über Kratersee Nummer 1 fahren. Hat man das hinter sich, möchten einem die Inselbewohner unbedingt einen Führer und ein Pferd mit auf den Weg geben. Gegen üppige Bezahlung, versteht sich. Die Pferde sehen bemitleidenswert aus. Wenn die den steilen Weg schaffen, schaffen wir das auch zu Fuß. Und verlaufen werden wir uns schon nicht. Es ist ja eine Insel. Womit wir nicht gerechnet haben, ist der Staub, den die Pferde aufwirbeln, wenn sie an uns vorbeilaufen. Der feine Sand ist einfach überall. Es knirscht im Mund, in den Augen und wenn man genau hinhört, sogar beim Denken. Auf dem Weg nach oben, laufen wir an Fumarolen vorbei - Erdlöcher aus denen heißer Schwefeldampf herausköchelt. Wem die Naturwunder zu langweilig sind, kann oben am Kraterrand für etwas Geld mit dem Schläger ein paar Golfbälle im Kratersee versenken. Beim nächsten Ausbruch gibt es dann einen schönen Golfballregen. Zurück in Manila, haben wir ernsthafte Bedenken, dass man uns mit der dicken Schwefel-Staub-Schicht nicht ins Haus lässt. Das anschließende Duschen ist eher ein Lavastaubpeeling und verwandelt uns wieder zurück in gesellschaftsfähige Menschen.
In einigen Stadtteilen Manilas sind Plastiktüten schon verboten. Einkäufe werden in Papiertüten gepackt, wenn man keine eigenen Taschen mitbringt. Schaut man sich die anderen Stadtteile an, macht das Sinn. Der Pasig River ist kein Fluss mehr, sondern ein erbärmlich stinkender Müllstrom. Manche Kinder wachsen in Manila ohne Kindheit auf. Man will gar nicht wissen, wie sie Geld für die Familie verdienen. Um ihr Leben erträglicher zu machen, schnüffeln sie Klebstoff aus kleinen Tüten. Am Abend kaufen wir noch schnell in der Mall of Asia ein, die bei ihrer Eröffnung 2006 die drittgrößte Shoppingmall der Welt war. Mit IMAX Kino, Eislaufanlage und Vergnügungspark. Gleiche Stadt, anders Leben.
Wir haben uns wieder ein Apartment in Metro Manila genommen. Diesmal in einem anderen Teil: Makati. Hier wohnen auch viele Expats aus Europa, was man am Standard und an den Mietpreisen merkt. Alles ist sehr fein. Luxusboutiquen, Shoppingmalls und saubere Straßen. Da kann man auch mal riskieren zum Friseur zu gehen. Leider hat der Haarkünstler meiner Wahl keinen höhenverstellbaren Stuhl und muss beim Schneiden immer auf den Zehenspitzen stehen. Ich versuche ihm zu helfen und mache mich ganz klein. Scheinbar nicht genug, denn er startet einen Mordanschlag auf mich mit seinem Haartrimmer und rammt mir das Ding so in den Hals, dass ich mit einer roten Reißverschlussnarbe aus dem Salon komme. Hoffentlich hält die bis Halloween.
Wir haben es geschafft, unseren Wagen ohne Kratzer und Beulen zurückzubringen. Wir haben ihn sogar extra waschen lassen, damit er wieder so schön neu aussieht. Als der Vermieter kommt, um das Auto abzuholen, streckt er mir zur Begrüßung die Kaution hin und will gleich mit dem Schlüssel wieder abdüsen. Wie? Keine Kontrolle? Nicht mal kurz außen um den Wagen rumlaufen? Nein? So viel Vertrauen, bei einem Auto, das hier so gut wie unbezahlbar ist. Beeindruckend. Nach nur ein paar Tagen in der Provinz, ohne Supermarkt und nur mit Minilädchen mit dem immer gleichen Sortiment - Chips, Kekse, Wasser - fühlen wir uns in Manila wie im Schlaraffenland. Wer hat nur diese fantastischen Supermärkte erfunden. Mit Obst, Gemüse, Schokolade und sooooo viel verschiedenen Getränken. Kaufrausch.
In Banaue sind wir offensichtlich nicht willkommen. Kinder hauen auf unser Auto, rufen uns abfällige Sachen hinterher und machen sich über uns lustig. Da auch Steinewerfen zu den Kommunikationsformen der Kinder zählt, haben wir etwas Bedenken unser Blechkleid betreffend. Wir sind natürlich ein Musterbeispiel für komische Ausländer. Zu groß, zu blond, zu reich. Vielleicht liegt es aber auch an den auffallend unattraktiven Europäern, mit den auffallend hübschen Asiatinnen, die man hier immer wieder sieht. Trotzdem, eine unschöne Erfahrung. Wir strafen den Ort mit Nichtbeachtung und wandern stattdessen durch die Reisterassen zu den kleinen Nachbarorten. Hier ist die Welt noch wie vor vielen hundert Jahren. Wenn man einmal vom Plastikmüll absieht. Die Orte haben keinen Straßenzugang und sind ganz schön weit von allem entfernt. Wir laufen kilometerlang auf den schmalen Rändern der Reisfelder oder auf den Kanten der Wasserkanäle, bis wir den ersten Ort erreichen. Kinder kommen uns entgegen und rufen: “Hello, hello, hello!” Obwohl Englisch Amtssprache auf den Philippinen ist, sprechen die Menschen hier hauptsächlich in ihren ursprünglichen Sprachen. Deshalb rufen uns die Kinder in einem Dorf auch zum Abschied: “Hello, hello, hello” hinterher. Immerhin in einer anderen Tonlage. Hier sind wir natürlich noch exotischere Fremde, werden aber bestaunt, statt beworfen. Eine Mutter sagt, ihre Tochter wäre so fasziniert, weil Katrin so groß sei. Und in der Tat, Katrin ist größer als alle hier. Von mir ganz zu schweigen. Ein Dorfbewohner stellt uns seinem Urgroßvater vor. Dafür muss er ihn extra erst aus einem Reissack, dann aus einem Stoffbündel auspacken. Die Knochen der Ahnen im Haus aufzubewahren ist Tradition und erspart ganz nebenher, die Toten durch die vielen Reisfelder zu tragen.
Die Bestattungsgeschmäcker sind verschieden. In der abgelegenen Gegend um Sagada wurde nicht so gründlich christianisiert, so dass immer noch viele dem animistischen Glauben anhängen. Demnach ist es für die Wiedergeburt äußerst wichtig nicht in oder auf der Erde bestattet zu werden. Oben ist gut, weiter oben ist besser. In den Felsen um Sagada hängen überall Särge an den senkrechten Felswänden, dass man sich nur wundern kann, wie um alles in der Welt die da hin gekommen sind. Einige sind sehr alt, manche sind ganz neu. Wer verstirbt, muss für die aufwendige Zwischenlagerung (bis zur Wiedergeburt) 20 Schweine und mindestens 60 Hühner für das Dorf spenden. Dann helfen auch alle mit. Höhlen sind immer gut, aber die Sumaging Höhle ist mehr als das. Die unterirdischen Gänge sind in keiner Weise für Besucher hergerichtet worden. Es gibt keinen Weg, kein Licht, nur an einer Stelle ein Seil zum Abseilen. Wir brauchen also einen Führer, der uns mit einer Gaslampe den Weg weist. Am Eingang sind massenhaft Särge steil aufgestapelt. Ein kleines Schild bittet: “Die Särge nicht öffnen.” Die Höhle ist natürlich heilig, wovon die vielen Fledermäuse in der ersten großen Halle vermutlich nichts wissen. Es tropft von der Decke, meistens ist es Wasser. “If it’s cold, it’s just water. If it’s warm, well than it’s holy shit,” weiß unser Laternenjunge. Was dann kommt ist so phänomenal, dass es fast ein Geheimnis bleiben sollte. Es geht immer tiefer hinein in den Berg. Zuerst gemächlich, dann steil, dann senkrecht. Nach ungefähr einer halben Stunde geht es nur noch barfuß weiter. Wir waten durch knietiefes Wasser und klettern kleine Wasserfälle herunter. Die weißen Kalksteine sind wahnsinnig rutschig, die brauen Tuffsteine haben dagegen so tollen Grip, dann man barfuß fast senkrecht die Wände hochlaufen kann. Eine Wand müssen wir uns abseilen, an anderen senkrechten Stellen zeigt uns unser Guide, wie wir da tatsächlich runter und wieder rauf kommen. Einmal verklemmt er sich im Spagat zwischen Abgrund und Decke, um dann mit seinem Arm den Hilfskran für uns zu spielen. Es ist ganz gut, dass man nicht so genau sehen kann, wie es unter einem weiter geht. Auf dem Rückweg laufen wir das letzte Stück ganz alleine durch die dunkle Höhle. Nur ein winziger Lichtschein fällt vom Eingang herein. Wir fühlen uns wie Tom Sawyer. Und Indianer Jones. Und Chuck Norris. Mindestens.
Heute bekommen wir unseren Mietwagen für die nächsten Tage geliefert. Bei dem Schnäppchenpreis erwarten wir eine alte Schüssel, mit schön viel Kratzern und Dellen, so dass wir den Zustand nicht wesentlich verschlechtern können. Wir staunen nicht schlecht, als unsere Limousine vorfährt. Kein Kratzer, keine Delle und der fabrikneue Duft täuscht nicht - der Wagen ist noch gar nicht offiziell verkauft worden. Wir bekommen gefälschte Kaufverträge mit auf den Weg und wenn die Polizei uns kontrolliert, sollen wir sagen, wir hätten den Wagen gerade gekauft. Aha. Das erklärt auch das selbst ausgedruckte und mit Klebstreifen befestigte Kennzeichen. Leider sind die Fälschungen so schlecht, dass wir mit der Nummer garantiert nicht durchkommen. Dafür sind es gleich vier Kaufverträge mit jeweils verändertem Datum in der Zukunft. Das Datum wurde mit Papierstreifchen zugeklebt, kopiert und dann mit schwarzen Stift überschrieben. Immerhin bekommen wir auch so etwas wie einen Mietvertrag, mit für uns ganz fantastischen Konditionen. Als Sicherheit haben wir keine Kreditkartendaten, sondern 16,- € hinterlegt. It’s more fun in the Philippines. Unser Ziel für heute lautet: Sagada. Das macht 140 Kilometer. Keine Strecke, es sei denn sie liegt in den Philippinen. Wir brauchen den ganzen Tag und kommen erst nach Einbruch der Dunkelheit an. Auf dem Land fahren die Philippinos zwar immer noch etwas chaotisch, aber gleichzeitig sehr gemütlich. Man fährt eher Fahrradtempo. Meistens ist nicht mehr als 30 km/h drin. Manchmal 35 km/h. Die Straße geht immer links rum, rechts rum, rauf und runter. Nur gerade und eben ist sie nie. Da macht nicht nur das Fahren Spaß, auch das Rausschauen ist äußerst lohnenswert. Die hohen Berge sind immer grün oder in blauen Rauch der vielen kleinen Feuer gehüllt. Ein paar Kilometer vor Sagada hört die Straße und damit der Spaß abrupt auf. Plötzlich Geröllpiste. Die Straße ist vom letzten Taifun, Erdbeben oder Erdrutsch so stark beschädigt worden, dass man sie erstmal entfernt hat. Der Neubau ist teilweise schon begonnen worden. Wir müssen also durch die Baustelle und die Stellen ganz ohne Straße fahren. Mit dem schicken Neuwagen, der übrigens fantastisch flach auf der Straße liegt. Wir machen uns ganz leicht und fahren so vorsichtig wie es nur geht über die Steine. So vorsichtig, dass wir mehrmals im losen Geröll stecken bleiben und dann doch Anlauf nehmen müssen. Wir schaffen es mit nur zweimal Aufsetzen und das noch nicht mal an den sichtbaren Stellen. Puh. An einer sehr süßen Raststelle sind bunt bemalte Steine zu einem Picknick Park zusammengestellt worden. Auf bemalten Autoreifen steht: “God bless our trip.” Das kann heute jedenfalls nicht schaden.
Um neue Inspirationen zu tanken, sind wir heute zu Gast in der Brent School Baguio. Die Schule ist über 100 Jahre alt und eine grüne Oase mitten in der Stadt, die im Verkehr erstickt. Das Schulgeld ist teuer, die Klassen klein und das Kollegium motiviert. Den kleine Pausenhof gibt es erst seit dem schweren Erdbeben von 1990. Vorher war hier eine kleine Schlucht, die dann mit den Trümmern des Hyatt Hotels aufgeschüttet wurde und auf der man heute prima Fußball spielen kann. Nach so viel Schule, müssen wir endlich mal entspannen. Wir machen es wie die Schulklasse und mieten uns einen schönen Tretschwan im Stadtpark. Nur nehmen wir keine Nonnen mit an Bord. Weil wir die nächsten Tage noch weiter in die Berge fahren, es dort keine Geldautomaten gibt und weil wir den Mietwagen morgen sofort in bar bezahlen müssen (auch die ganzen 16,- € Kaution), heben wir heute mehr als einen halben Jahreslohn eines Arbeiters ab. Natürlich geht das nicht auf einmal. Wir suchen die größte Bank im Ort, mit drei Automaten nebeneinander. Und dann Karte rein, Maximalbetrag abheben, einen Stapel Geld rausziehen, am nächsten Automat das Gleiche nochmal, dann weiterrücken bis Automat Nr. 3 und wieder rein, raus, reich. So ein Geldstapel passt in kein Portemonnaie. Der berühmteste Künstler der Philippinen, Ben Cab, hat ganz in der Nähe Baguios ein kleines Privatmuseum mit seinen Werken geschaffen. Geöffnet ist bis 18:00 Uhr und wir kommen quasi last minute an. Kein Besucher ist mehr da und das Personal will uns schon abwimmeln. Wir behaupten aber, dass wir das Museum in 20 Minuten schaffen. Wir sind Profis. Nur widerwillig schließt man uns jeden einzelnen Raum nochmal auf und wiederholt mehrmals, wir müssten noch vor 18:00 Uhr draußen sein. Kunst unter Zeitdruck zu genießen (Kunstdruck?) ist eine ganz neue Erfahrung, der wir uns entspannt hingeben. Leider versemmeln wir damit ungefähr 10 Leuten ihren vorzeitigen Feierabend. Kunst erfordert Opfer.
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